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An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

Titel: An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
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Simón José Antonio de la Santísima Trinidad Bolívar y Palacios. Sicher haben Sie schon von mir gehört. Ich brauche Ihre Hilfe.»

    Wofür, sah Reinmar erst, als er die Haustür öffnete. Die Dragoner waren abgesessen und führten einen Mann herein. Reinmar ballte eine Faust. Diese hochgewachsene Gestalt, jetzt vorgebeugt und mit schleppendem Gang; die Hände in Ketten und gekreuzt. Diese langen, blauschwarzen Haare … Arturo. Sie hatten Arturo befreit. Dieser Mann war zu lebenslanger Arbeit in einer Silbermine verurteilt worden; das wusste er. Hatte sich diese Mine etwa in der Nähe befunden? Oder hatte man Arturo auf dem Weg dorthin befreit? Wie auch immer – am liebsten hätte er vom Gürtel eines der Soldaten den Pallasch gerissen und dem Pardo ins Herz gestoßen. Stattdessen führten sie ihn zu dem feinen englischen Fauteuil, einem der wenigen Möbelstücke, die die Besatzung überstanden hatten, und hießen ihn, sich zu setzen. Der Kerl starrte vor Schmutz!
    «Ich bedaure die Unannehmlichkeiten, Señor Götz.» Simón Bolívar trat vor ihn, nahm den Hut ab und schob ihn unter die Achsel. Dann zog er sich die weißen Lederhandschuhe von den Fingern. «Ich bin Ihnen eine Erklärung schuldig: Wir haben diesen Mann aus La Fidelidad befreit, das ist ein spanisches Fort etwa fünf Meilen von hier. Ihr Anwesen liegt auf dem Weg. Haben Sie Verbandsmaterial? Und Werkzeug, um die Ketten zu öffnen?»
    «Im Stall.»
    Der Mann wusste, wer er war? Wahrscheinlich musste man sich darüber nicht wundern; er war ein Heerführer und als solcher natürlich gut über die Umgebung informiert. Er wandte sich seinen Leuten zu und gab knappe, sachliche Befehle. Eine resolute Erscheinung, die ohne große Gesten, aber mit gewandten Bewegungen die Aufmerksamkeit auf sich zwang. Seine weißen Beinkleider und seine zweifellos teure Uniformjacke waren nicht weniger in Mitleidenschaft gezogen worden als die seiner Dragoner. Man sagte ja von ihm, dass er seine Schlachten nie in einem Feldherrnzelt absaß, sondern in vorderster Front schlug. An seinem schweren Kavalleriesäbel klebte Blut.
    «Señor Götz?»
    Reinmar versuchte sein Erstaunen abzuschütteln und lief in die Küche. Hier hatte Janna von allem Tuch, das sie gefunden hatte, saubere Stücke und Streifen abgeschnitten und in eine Kiste gelegt; die zog er unter der Küchenbank hervor und eilte zurück in die Eingangshalle. Mittlerweile hatten die Soldaten ihre Laternen verteilt. Die Halle war in warmes Licht getaucht. Ein Mann schleppte den Brunneneimer herein. Andere hatten ihre Tornister abgelegt und kramten nach Bechern und Zwieback. Zwei Soldaten brachten den schweren Eisenhammer und das Brecheisen.
    Von oben kam heiseres Krächzen. Reinmar wandte sich um. Die Fregatte, in einen Morgenmantel gehüllt, die Haare unter einer Schlafhaube verborgen, stand an der Treppe. Wie ein Gespenst, in das sie sich ja auch zusehends verwandelte. «Wer sind diese Leute?»
    «Separatisten.» In seinem Rücken wurde gehämmert und geflucht; die Sache schien sich schwierig zu gestalten. «Gehen Sie wieder schlafen, Frau Wellhorn.»
    «Schlafen? Bei dem Krach?»
    Aber sie ging. Gott sei es gedankt, sie ging. Hätte sie weiterhin gezetert, so hätte ihn das alles vollends überfordert. Er fühlte sich übermüdet und hellwach zugleich; hinter seinen Augen hämmerte es im Takt mit den Schlägen der Soldaten, und übel war ihm zu alledem. Als er sich wieder dem Geschehen zuwandte, war der verhasste Arturo hinter einem Pulk Männer verborgen. Nur seine nackten Füße, an denen die Eisenbänder bereits fehlten, waren zwischen den Reiterstiefeln zu sehen. Klirrend fiel eine schwere Kette und sorgte für einen weiteren Sprung in den Bodenfliesen. Verdammtes Vandalenpack. Hatte La Jirara, Jannas Heim, nicht genug gelitten?
    Hinter der Wand der Männer stöhnte Arturo auf. Als sie zurücktraten, sah Reinmar, dass er aufzustehen versuchte. Gott, diese Fetzen um seine Hüfte, die einmal Kniehosen gewesen waren, starrten vor Dreck.
    «Arturo!», rief Bolívar. «Sind Sie klaren Sinnes?»
    Der elende Pardo knurrte etwas Unverständliches. Es klang eher wie ein Tierlaut.
    «Arturo, ich biete Ihnen die Gelegenheit, Ihrem missglückten Leben eine Wende zu geben: Dienen Sie mir. Für die Freiheit! Ein Mann wie Sie gehört in die Armee.»
    Bolívar trat beiseite, als Arturo zwei wankende Schritte machte. Rötliches Lampenlicht spiegelte sich auf geschundenen, aber kräftigen Muskeln. «Tut mir leid.» Seine

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