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An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

Titel: An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
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einen ermatteten Blick, ohne in seiner Tätigkeit innezuhalten. Mit einem Mal wusste Arturo, dass er sich mit der Überlegung, der Vater und somit auch die Mutter und Ángel könnten zu Wohlstand gekommen sein, etwas vorgemacht hatte. Etwas höchst Unsinniges. Sie waren versklavt.
    Er ging zu einem der Männer, der ein wenig neugieriger wirkte. «Ich suche einen Mann namens Ángel», kam Arturo ohne Umschweife zur Sache. Doch er wurde enttäuscht: Der Schwarze machte sich wieder an die Arbeit, als sei Arturo nicht da. Vielleicht lag es an dem Reiter, der soeben am Ende des Wirtschaftsweges auf einem Maultier auftauchte. Arturo verbarg sich im Schatten der dicht mit prallen Früchten behängten Bäume. Es war ein Weißer, der gemütlich vorüberritt, eine Flinte im Arm und am Sattel eine zusammengerollte Peitsche.
    «Ich suche Ángel», versuchte es Arturo noch einmal, sobald der Aufseher außer Sicht war. Diesmal wagte der Sklave immerhin, ihm zu antworten: Es war ein Kopfschütteln. Arturo ging weiter, diesmal mit äußerster Wachsamkeit. Die meisten der Sklaven verfügten über Macheten, keiner trug Ketten. Falls sie diese Vorteile je für sich zu nutzen versucht hatten, so war es ihnen mit harter Hand ausgetrieben worden, wie die alten und frischen Striemen auf ihren schweißglänzenden, von harter Arbeit sehnigen und karger Kost mageren Körpern verrieten. Keiner gab ihm eine Antwort. Aber es hielt ihn auch niemand auf.
    Er gelangte in den Hitzeglast einer gerodeten Lichtung. Auf Gestellen, auf denen Matten gespannt waren, staksten breitbeinig einige Arbeiter herum und schichteten mit Forken Kakaobohnen um, offenbar um sie in der Sonne zu trocknen. Ein weiterer Aufseher ritt vorüber, bemerkte auch Arturo, widmete ihm jedoch keinen zweiten Blick, da die Männer oben auf den Gestellen seine Aufmerksamkeit erforderten. Arturo atmete durch. Er hatte sich seines Hemdes entledigt und unterschied sich somit kaum von den Pardos unter den Sklaven. Man mochte sich lediglich darüber wundern, dass seine Haut nicht gar so tief gebräunt und von Peitschenhieben bisher verschont geblieben und seine Kniehose ein wenig ordentlicher war. Vielleicht kam es auch vor, dass Fremde die Pflanzung durchquerten, um zu dem Anwesen zu gelangen, das unterhalb der Festung an den Berghang gebaut worden war, als wolle der Besitzer bequem von seiner Veranda aus dem Treiben hier unten zusehen können.
    Er ging zu einer Reihe von Hütten. Die meisten standen offen; nur wenige hatten Matten vor den Eingängen. In einer sah er von Fliegen umschwirrte Leiber liegen – waren sie krank oder tot? In einer anderen hockten zwei Frauen vor einem Berg gelber Früchte. Eine schlug sie mit einer Machete auf und schob die Hälften der anderen zu, die ihre Finger hineingrub und das weiße Fruchtfleisch mitsamt den Bohnen herauspulte und auf Bananenblättern ausbreitete. Sie hoben bei seinem Eintreten die Köpfe, ohne in ihrer Arbeit innezuhalten.
    «Ich suche Ángel. Wisst ihr, wen ich meine?»
    Sie hielten die Köpfe gesenkt. Bisher hatte er es auf Spanisch und zwei, drei indianischen Dialekten versucht. In seiner Enttäuschung versuchte er es mit ein paar Brocken Englisch.
    Die Frau mit der Machete hob erstaunt die Brauen. «Wir kennen keinen Ángel», sagte die andere in einer kruden Sprachenmischung, die sogar seinem Ohr alles abverlangte. Ihr nackter, hochschwangerer Leib schwang hin und her, während sie die Bohnen auf den Blättern verteilte. Er machte kehrt, und sie rief ihm nach: «Aber einen, der so aussieht wie du. Der wohnt in der Hütte, auf der eine Kokospalme liegt.»
    Er wandte sich ihr noch einmal zu. «Danke.»
    «Es ist nicht gut, mit ihm zu reden», murmelte sie und tat wieder so, als sei er nicht anwesend.
    Die Hütte war leicht zu finden: Die Palme war gebrochen, wohl bei einem Unwetter, und hatte sich wie eine Machetenklinge in das Bananenblattdach der Hütte gegraben. Man hatte es offenbar nicht für nötig gehalten, sie abzuhauen, und es musste lange her sein; Schlinggewächs hatte den Stamm mit dem Hüttendach verwachsen lassen. Ansonsten unterschied sich die Hütte nicht von den anderen. Arturo mochte noch nicht glauben, dass er am Ende seiner Reise angekommen war. Sicherlich war Ángel gar nicht hier, sondern irgendwo auf der Plantage. Oder tot unter der Erde. Und das rhythmische Hacken der Machete, das aus der Hütte drang, kam nicht von ihm.
    Doch er täuschte sich, das sah er sofort, als er den aus grobem Bastgewebe

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