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An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

Titel: An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
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erzürnen wie Frater Christoph, das wusste er. Aber dieser Gott wollte nicht, dass er Gold fand. Maria Lionza, so hoffte er, würde es ihm gönnen.
    Ständig wurde Gaúpe von Leuten unterbrochen, die kamen, um ihm zu sagen, dass seine Tochter eine gute Frau gewesen sei. Andere erbaten seinen Rat, und wieder andere brachten ihm zu essen oder kleine Geschenke. Die Sonne stand tief, als er seine Arbeit beendete und Arturos Arm mit Schildkrötenöl einrieb.
    «Bald ist es dunkel. Zeit für das Ritual.» Auf dem Holz der Plattform zog er mit weißer Farbe einen großen Kreis dicker Striche, entzündete an seinem Herdfeuer Kerzen und verteilte sie am Rand des Kreises. «Du musst ein Tier fangen», verlangte er von Arturo.
    Das war schnell getan. Arturo brachte einen verletzten Reiher, den der Schamane in einen Käfig steckte. Dann vermischte er Niopo, ein Gift aus Pflanzensamen, in einer Schale mit ein wenig Öl, nahm einen gegabelten Vogelknochen zur Hand und beugte sich darüber.
    Es kam noch ein Störenfried. Gaúpe legte den Knochen wieder beiseite.
    Dieser Mann war groß, ein Karibe mit einem blauschwarzen Zopf und sehnigen Körper in einer Weste und Beinkleidern. Gaúpe winkte ihn herbei, und er machte einen langen Schritt aus seinem Einbaum auf die Plattform. Das Fell eines Capybaras und das Horn eines Wasserbüffels wechselten den Besitzer, und Gaúpe strahlte über die Gaben wie ein Kind. Es entspann sich ein Gespräch, das sich einige Zeit hinzog. Gaúpe hatte es nicht eilig, das war fast allen Indios eigen, erst recht solch alten; daher bezähmte Arturo seine wachsende Ungeduld. Die hatte er von den Mönchen gelernt, denen immer alles schnell und beizeiten gehen musste. Er beschäftigte sich damit, weiterhin kühlendes Öl auf seinen Arm aufzutragen und den Kariben unverhohlen zu mustern. Doch auch der starrte immer wieder herüber.
    Nach einer Weile stemmte sich der Mann hoch, kam näher und ging in angemessener Entfernung in die Hocke.
    «Aryqeatuaro?»
    Düster erwiderte Arturo den fragenden Blick. Tief in ihm rührte dieses Wort etwas an, und er wusste nicht, was.
    «Aryqeatuaro, bist du es?»
    Nein, es war besser, es nicht zu wissen.
    Jedoch begann er es zu ahnen; das war nicht zu verhindern. Sein Name. Ja, sein alter indianischer Name. Jäger großer Krokodile.
    Noch wollte er es leugnen. «Ich heiße Arturo.»
    Der andere entblößte zu große und schiefe Zähne zu einem spöttischen Lächeln. «Das ist ein weißer Name.»
    «Ich bin weiß. Siehst du es nicht?» Wer nicht ganz rot war, war weiß; das zu behaupten, hatte er sich von den anderen bunten Rindern abgeschaut. Warum, wusste er eigentlich nicht so recht. Er hörte Gaúpe, der neugierig lauschte, kichern.
    Beschwichtigend hob der Karibe die Hände. «Schon gut. Arturo, weißer Mann mit dem blauschwarzen Haar eines Indios – es ändert ja nichts daran, dass ich dich als Aryqeatuaro kennenlernte. Dich und deinen Bruder, der tatsächlich von Geburt an einen spanischen Namen trug. Erkennst du mich denn nicht wieder?»
    War dieser Mann aus seinem Stamm, den Caruáque? Er mochte ein paar Jahre älter sein und war demnach damals ein halbwüchsiger Junge gewesen. Die Hand auf der Brust, nannte er seinen Namen, der Arturo nichts sagte. Arturo stand auf und trat aus dem Kreis der Kerzen, wobei er einige versehentlich umstieß. Geriete die Plattform in Brand, so würde dies von seinem inneren Aufruhr ablenken. Die Flämmchen verweigerten ihm auf dem feuchten Holz den Gefallen und erloschen. In seinem Rücken hörte er, wie der Karibe sich von Gaúpe verabschiedete und in seinen Einbaum stieg. Arturo blickte über die Schulter. Der Mann paddelte aus dem rot schimmernden Lichtkreis und verwandelte sich in einen düsteren Schemen.
    «Warte! Komm zurück!»
    Arturos Herz schlug unangenehm. Wenn der Fremde ihn für seine Schroffheit strafte und verschwand, würde sich ihm vielleicht nie wieder die Möglichkeit bieten, etwas über die Schatten seiner Vergangenheit zu erfahren. Doch der Mann kehrte in einem großen Bogen zurück und warf das Halteseil wieder auf die Plattform.
    Arturo kauerte auf den Fersen und ergriff es. «Wie ist es heute dort in dem Dorf?», fragte er.
    «Da sind nur noch ein paar heruntergekommene Hütten», erwiderte der Fremde bereitwillig. «Nach dem Überfall eines anderen Stammes sind die meisten gegangen. So wie ich.»
    «Dann weißt du nicht, was aus meiner Mutter und meinem Bruder wurde?» Irgendwie hoffte Arturo, der andere würde

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