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An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

Titel: An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
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schob zwei Finger unter das kleingehackte Fleisch. Der erste Versuch, einen fettigen Brocken in den Mund zu bekommen, schlug fehl. «Wo haben Sie meine Sprache gelernt?»
    Er schwieg wieder. Schade. Sie fand, er hatte eine angenehme Stimme. Tief, rau und wohlklingend.
    «Wohin werden Sie mich bringen?»
    Nichts. Es gelang ihr, einen Bissen zu kauen, und der war tatsächlich lecker und zart. Gut, dass ich gesehen habe, dass es eine Schildkröte war.
    «Ich muss irgendwie nach Angostura kommen», sagte sie. «Das ist die Hauptstadt der Provinz Spanisch-Guayana am Orinoco. Begreifen Sie das?»
    «Die Warao haben gesagt, dass gestern ein Boot mit fremden Menschen hier war. Einer davon hatte das Haar fast so hell so wie du.»
    «Bitte?» Ihr fiel der nächste Brocken aus den Fingern. «So wie ich? Blond?»
    Er musterte ihre Haare, als müsse er erst überlegen, was ‹blond› bedeutete. «Ja.»
    «Herrje, das muss Reinmar gewesen sein. Reinmar Götz, mein Verlobter! Und andere von unserem Schiff! Wo sind sie jetzt?»
    Unwillig runzelte er die Stirn. «Sie sollen noch am Nachmittag weitergesegelt sein.»
    «Wir müssen ihnen sofort nach!» Janna legte das Blatt beiseite und sprang auf. Auch der Drachenherr erhob sich.
    «Später.»
    «Später? Aber wir könnten sie vielleicht einholen!»
    «Setz dich wieder hin und iss!»
    Er wollte sich abwenden. Sie konnte nicht anders: Sie schlug ihm ins Gesicht.
    Dafür würde sie mit einem dritten unfreiwilligen Bad bezahlen, das war ihr klar. Aber das war es ihr wert. Nachdenklich rieb er sich das Kinn, wo sie ihn getroffen hatte. Seine andere Hand zuckte, als wollte er den Schlag auf gleiche Art vergelten. Sie reckte ihm das Kinn entgegen. Sollte er doch! Er hatte sie schikaniert und lächerlich gemacht – darauf käme es auch nicht mehr an. Aber er starrte wieder nur auf seine eindringliche, unangenehme Art. Sie verschränkte die Arme vor der Brust. Er hockte sich zurück auf seinen Platz. An der Unterhaltung der Indios beteiligte er sich nicht mehr. Stattdessen sah er immer wieder finster herüber. Zum ersten Mal kam ihr der Gedanke, dass nicht nur er ihr nicht geheuer war. Sie war es ihm auch nicht.

    Eine geschätzte Stunde später setzte er das Segel. Das Boot war mit Vorräten so gut beladen, dass es schwer auf dem Wasser lag. Die Warao verabschiedeten sich mit fröhlichem Winken und Rufen. Der Wind kam stramm von achtern und ließ die Piroge munter über kleine Wellenkämme hüpfen. Weiter ging die Fahrt durch die weitläufige Landschaft des Deltas, vorbei an kleinen und großen sandigen Inseln, an blühenden Wasserpflanzen, schwimmenden Baumstämmen und durch Schwärme fliegender Fische, die wie silbrige Flecken vor dem Bug hin und her sprangen. Janna gab auf, nach der Pinasse Ausschau zu halten. Längst war sie wieder trocken. Doch die Kleidschichten rochen und fühlten sich unangenehm auf der Haut an. Überall juckte es, hoffentlich nur von Sandkörnern. Sie holte ihr Réticule aus dem Koffer, fand das Fläschchen Kölnisch Wasser und verteilte großzügige Spritzer im Gesicht und auf den Händen. Doch das war ein Fehler; die Mücken wurden nur mehr lästiger. Auch dafür, dass ihn die Moskitos kaum belästigten, hasste sie den Drachenherrn.
    Am Nachmittag türmten sich Wolken im Osten auf. Ein gewaltiges Krachen ließ Janna zusammenfahren. Dicke, warme Tropfen zerplatzten auf ihrem Kopf. Kurz darauf ging ein kräftiger Regenguss auf das Boot nieder. Durch die übereinandergeschichteten Bananenblätter des Bootsdaches drang kaum ein Tropfen; sie jedoch war von einer Sekunde auf die andere durchnässt. Nach einer Weile bedeutete er ihr mit einer knappen Handbewegung, zu ihm ins Trockene zu kommen. Ach, auf einmal soll ich nicht nass werden? , dachte sie bissig. Sie rührte sich nicht von der Stelle.
    Dennoch wurde ihr mulmig zumute. In der grauen Wand zuckten Blitze in schneller Folge, und das Donnern setzte in immer kürzeren Abständen ein. War es nicht gefährlich, auf dem Wasser zu sein? Der Regen wurde so dicht, dass das Ufer nur noch zu erahnen war. Doch plötzlich war das Unwetter vorbei. Der Drachenherr – Arturo, verbesserte sie sich – warf ihr eine hölzerne Schale zu. Was sie damit tun sollte, bedurfte keiner Erklärung. Er selbst benutzte einen Blecheimer. Seite an Seite schöpften sie, bis ihr die Glieder schwer wurden und auch er erschöpft zurück an seine Ruderpinne sackte. Es nieselte noch; trotzdem legte sie sich hin, wo sie war. Augenblicklich war

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