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An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

Titel: An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
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Mulatten und Schwarzen, Sklaven vielleicht, machte er weiterhin einen großen Bogen. Das Land zog vorüber: ein hohes Gebirge in der Ferne, hügelige Weiden, auf denen Rinder grasten, durchbrochen von Felsgestein, und gepflegte Pflanzungen. Der Anblick der dicken gelben Kakaofrüchte versetzte ihr einen heftigen Stich. Sie dachte an den Vater, wie er ihr, die Hand auf ihrer Schulter, die Zeichnungen in seinen Handelsbüchern gezeigt hatte. … den aus Venezuela nennt man Criollo; er ist besonders aromatisch. Aber nicht sehr widerstandsfähig. Daher hat man Kakao aus dem Amazonasgebiet eingekreuzt, den Forastero, das bedeutet: ‹Fremdling› .
    Was gäbe sie darum, jetzt an seiner Seite zu sein, in seinen Büchern zu blättern und herrliche Schokolade zu trinken … Stattdessen kaute sie Tabak, um sich den bräunlichen Speichel auf die Haut zu schmieren. Zumeist wirkte das Land, als sei es noch nie von einem Menschen betreten worden. Es war eine grüne Wand wirrer Muster, aus der es summte, trillerte, kreischte und krachte. Hinter einer Insel tauchte eine Fregatte auf. Sie war zu weit entfernt, um ihre Flagge erkennen zu können. Dennoch lenkte Arturo seine Piroge in einen schützenden Seitenarm.
    Ein Schlund aus sumpfigen Wasserwegen und lianenüberwuchertem Geäst nahm das Boot in sich auf. Das Segel hing schlaff. Libellen, Schmetterlinge und fliegende Fische stoben umher, gejagt von Eisvögeln, die elegant ins Wasser tauchten. So dicht standen die Bäume, dass ihre von Schlingpflanzen und betörend schönen Orchideen überwucherten Kronen ein einziges Dach bildeten. Ein Affe röhrte aus weiter Ferne. Andere antworteten. Ein riesiger Raubvogel stürzte durch die Kronen, Laub rieselte, und schon war er mit seiner pelzigen Beute in den Lüften verschwunden. Danach schien die Zeit stillzustehen: Der Wald schwieg. Bis irgendwann der Vorsänger der Affen wieder sein schauriges Lied anstimmte.
    Arturo ließ das Boot auf eine Sandbank laufen. Zu Jannas Verwunderung begann er im brackigen Wasser seine Pfanne zu putzen. Als er blitzschnell nach einem angespitzten Ast griff, den er sich zuvor zurechtgelegt hatte, begriff sie seine wahre Absicht. Ein dicker Fisch zappelte auf dem Spieß, angelockt von dem ausgespülten Bratfett. Sie versuchte sich vorzustellen, wie er Derartiges mit seiner alten Armbrust bewerkstelligt hatte.
    «Willst du ihn ausnehmen?»
    Kein Befehl, eine Frage. Überrascht nickte sie. Wie man das machte, wusste sie von Oma Ineke. Die hatte niemals die Finger der Küchenmägde an ihre geliebten Finkenwerder Schollen gelassen.
    Er gab ihr ein Messer und verschwand mit einem Netz im Unterholz. Nach einiger Zeit kehrte er mit drei Eidechsen, einer Schlange und zwei Kokosnüssen zurück. Die Nüsse hackte er mit seinem Säbel auf. Janna trank ihre Nuss gierig aus. Dann machte er sich ans Kochen. Was er bisher aufgetischt hatte, war genießbar, aber selten wohlschmeckend gewesen.
    Ein pelziges Wesen schwamm durchs Wasser und rannte das schlammige Ufer hinauf. «Ein Capybara», beantwortete Arturo ihren fragenden Blick. Flüchtig lächelte er. «Harmlos.»
    Janna kramte in ihrem Koffer. Die Aquarellfarben waren längst verdorben. Aber im hintersten Eck fand sich ein Kohlestummel. Sie legte sich ein fleckiges, an den Rändern gewelltes Blatt auf den Kofferdeckel und begann eine schwarze Schildkröte mit hellen Höckern zu zeichnen. So ähnlich musste es auf der Expedition Alexander von Humboldts gewesen sein. Fast war sie geneigt, ihrer misslichen Lage etwas Schönes abzugewinnen. Wäre doch nur Reinmar hier, damit sie ihm alles erzählen und diese und die anderen Zeichnungen, die sicherlich noch folgen würden, zeigen könnte …
    Sie bekam eine aufgespießte Eidechse, die sie schnell und ohne hinzusehen abnagte, und ein paar Brocken köstliches Kokosfleisch. Der Schlange hatte Arturo die Haut abgezogen. Er zog sie durch die Finger.
    Mit einer blutigen, fettglänzenden Hand kam er näher. «Mach den Verband ab.»
    Janna gehorchte. Vorsichtig betupfte er den Schnitt. «Das ist gut für deine Schnittwunde.» Auch die eigenen Kratzer schmierte er ein, während er über ihre Schulter hinweg die Zeichnung betrachtete. «Was willst du damit machen?», fragte er.
    «Mich später daran erfreuen. Ich hatte auch ein Herbarium. Das heißt, bevor der Atlantik es verschluckt hat. Das ist eine Sammlung getrockneter Pflanzen.»
    «Damit also beschäftigen sich Frauen wie du?»
    «Ich wusste vorher auch nicht, dass hiesige

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