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An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

Titel: An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
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Stück landeinwärts gegangen war, um einem Bedürfnis nachzugehen, hatte sie Lichter gesehen. Die Lampen eines Hauses.
    Und kurz bevor Arturo gekommen war, nach ihr zu rufen, waren die Lichter erloschen.
    Er war ahnungslos.

    Ihr war, als habe sie die ganze Nacht kein Auge zugetan. Spätestens beim Einsetzen des morgendlichen Vogelkonzertes war sie hellwach. Einer Eingebung zufolge hatte sie am Abend ihren Koffer von Bord geholt, um eine Lektüre auszuwählen und Gelassenheit zu bekunden. Leise öffnete sie den Deckel und entnahm die Rolle mit Reinmars Weihnachtsgeschenk. Es tat ihr in der Seele weh, alles andere zurücklassen zu müssen. Doch es ging um ihr Leben, und da wäre der Koffer unnötiger Ballast.
    Sobald es im Osten zu dämmern begann, kroch sie aus ihrer Hängematte und schlich so leise wie möglich über Steine und feste Erde. Erst als sie ein ganzes Stück vom Lagerplatz fort war, wagte sie sich durch raschelndes Gestrüpp die endlos steile Böschung hinauf. Der Tag brach schnell heran, das wusste sie ja. Trotzdem erschreckte es sie, plötzlich im Hellen zu stehen.
    Wahrhaftig, in der Ferne erhob sich über den Spitzen hoher Gräser ein Haus: das große, weiß gestrichene Anwesen einer Hazienda, auf der Mais angebaut wurde. Janna machte ein paar vorsichtige Schritte. Das Knacken und Rascheln unter ihren Füßen kam ihr jetzt überaus laut vor.
    «Mädchen! Bleib stehen!»
    Sie prägte sich das Haus ein. Sie sagte sich, dass sie nur geradeaus laufen musste. Und rannte in das Maisfeld.
    Die scharfen Blätter prallten gegen ihre erhobenen Arme. Die Pflanzen standen so dicht, dass sie Mühe hatte, sich hindurchzuzwängen. Ihr Kleid riss. Aber das war gleichgültig. Nur weiter, weiter! Ein Maisfeld besaß sicherlich Wege für die Erntearbeiter; sie musste nur vorwärts, dann würde sie schon auf einen Pfad stoßen. Leider sah der Mais nicht so aus, als sei jetzt Erntezeit. Hier war niemand, der ihr zu Hilfe eilen konnte. Sie musste es bis zum Haus schaffen. Erleichtert atmete sie auf, als sie auf einen schmalen Weg stieß.
    «Bleib stehen!», schrie Arturo.
    Aus welcher Richtung war sein Ruf gekommen? Sie wusste es nicht. Sie war sich plötzlich nicht mehr sicher, wo das Haus war. Diese Pflanzen standen dicht an dicht wie grüne Mauern und wuchsen sicherlich an die zehn Fuß in die Höhe. Das Herz schien schmerzhaft in ihrem Hals zu pochen, während sie weiterlief. Die Sonne! Die Sonne würde ihr den rechten Weg weisen. Doch sie war viel zu aufgeregt, um sich darauf zu besinnen, in welcher Himmelsrichtung das Anwesen stand. Sie lief hin und her und hastete dann einen Pfad entlang, von dem sie hoffte, dass er sie nicht zurück in Arturos Arme lenkte.
    «Bleib stehen.»
    Er klang leiser. Näher. Janna unterdrückte einen Laut maßlosen Ärgers. Sie machte kehrt und rannte den Weg zurück. Doch das erschien ihr auch nicht richtig. Schließlich blieb sie stehen, um Atem zu schöpfen. Ihr Keuchen dröhnte in ihren Ohren. Konnte er sie hören? Das Maisfeld war belebt von Insekten, die allerlei Lärm veranstalteten. Sie entdeckte Grashüpfer, Falter, Spinnen; und dieses riesige rote Ding auf einem Blatt dicht vor ihren Augen sah aus wie eine Heuschrecke.
    «Mädchen, du wirst darin umkommen.»
    Er war erschreckend nah.
    Es konnte nicht sein, dass sie scheiterte. Sie war doch Janna Sievers, die Tochter eines reichen Kaufmanns, der sie behütet durch schwere Zeiten gebracht hatte. Die mit ihrem Verlobten glücklichen Zeiten entgegengegangen war. Und die ein Schiffsunglück überlebt hatte. Dass sie nun in der Wildnis das Opfer eines Banditen wurde, konnte einfach nicht geschehen.
    «Mädchen, hast du in deinen klugen Büchern nicht gelernt, dass ein Maisfeld gefährlich ist? Es gibt hier tödliche Skorpione.»
    Er war ein Lügner. Darauf würde sie nicht hereinfallen.
    Sie rannte einige Schritte weiter und schob sich dann zurück zwischen die dichtwachsenden Gräser, die grässlichen Insekten missachtend. Die Geräusche machten ihr nun Angst. Wenn sie sich noch einmal ein solches Fieber einfing? Oder Schlimmeres? Plötzlich fühlte sie sich wie gelähmt. Da half es auch nicht, sich zu sagen, dass er es genau darauf abgesehen hatte.
    Die Maispflanzen bebten. Jemand schlug sich mit einer Machete zu ihr durch. Ein Arbeiter? Sie wagte es nicht zu hoffen. Die riesigen Stängel fielen einer nach dem anderen. Und dann stand er vor ihr.
    «Du hättest sterben können, Mädchen.»
    «Ich glaube Ihnen kein Wort.»
    «Und was

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