Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

Titel: An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
Vom Netzwerk:
ist das hier?» Er hob den Säbel, an dessen Klinge Pflanzensaft klebte. Die Spitze näherte sich ihrer Schulter. Als er sie zurückzog, zappelte auf ihr ein riesiger Skorpion. Er drehte die Klinge, damit Janna das Vieh betrachten konnte. Aus allen ihren Poren brach kalter Schweiß hervor.
    «Wir sollten hier verschwinden», sagte er ruhig.
    «Natürlich.» Janna fasste sich und reckte das Kinn. «Nicht weil es hier gefährlich ist. Sondern weil Sie befürchten, dass jemand auf den Tumult aufmerksam wurde.» Warum hatte sie nicht wenigstens geschrien? Aber bei ihrem Pech hätte das auch nichts genutzt.
    «Komm», er nahm ihre schlaffe Hand in seine Linke, während er den Säbel über einen Maisstängel zog, um den Skorpion abzustreifen. Mit wackligen Knien tapste sie hinter ihm her.
    «Meine Zeichnung! Ich habe sie verloren! Ich muss sie holen.»
    Seine Zöpfe flogen, als er den Kopf zu ihr umwandte. Sein finsterer Blick sagte ihr, was er davon hielt.
    «Ohne die Zeichnung gehe ich nicht.»
    «Mädchen!»
    Sie deutete in eine Richtung. «Dort drüben. Dort habe ich sie verloren. Es ist eine Lederrolle.»
    Zu ihrem Erstaunen ließ er sie los und bahnte sich einen Weg dorthin. Er wusste, dass sie nicht wegrennen würde. Alle Entschlusskraft war aus ihr geflossen wie Wasser aus einer brüchigen Kalebasse. Hoffentlich befand sich Reinmars Bild wirklich dort – der Drachenherr würde sie mit seinem Säbel entzweihacken, wenn er sich genarrt fühlte. Er kehrte zurück und stieß ihr die Rolle vor die Brust. Sie wehrte sich nicht, als er sie hochhob und halb über die Schulter legte. Mit dem rechten Arm umfasste sie seinen Nacken. Er stank nach Schmutz und Schweiß wie sie. Eigentlich sollte sie sich davor ekeln. Doch so war es nicht. Ihr Arm, wo sie ihn berührte, prickelte. Seine Haut war heiß, als litte auch er an einem Fieber. Vielleicht täuschte sie sich; vielleicht war es ihre Haut, die so glühte. Angefacht von ihrer grenzenlosen Verwirrung.
    Auf dem Boot fühlte sie sich wieder wie zuvor: wie eine hilflose Frau, die erdulden musste, dass ein verhasster Fremder über ihr Schicksal entschied. Arturo legte ab wie jeden Morgen, nur dass er es dieses Mal noch schneller tat. Rasch glitt das Boot in den Wind, hüpfte über die Wellenkämme, die Strömung unter dem Kiel missachtend. Janna blickte zurück. Das Ufer sah aus wie so viele zuvor: gottverlassen, wild, betörend schön. Nichts verriet die Anwesenheit dieser Hazienda, die ihre Rettung hätte sein können.
    Bald schon steuerte Arturo einen aus dem Wasser ragenden Stamm einer Weide an. Erst bei näherem Hinsehen entdeckte Janna eine armdicke Schlange, die gemächlich den Platz räumte und im trüben Wasser verschwand. Süßlicher Modergeruch stieg von grüner Algenschmiere zwischen den Ästen auf.
    «Was wollen Sie hier?» Wollte er sie strafen, auf die übliche Art? Mit einer so riesigen Schlange wollte sie nicht gemeinsam baden müssen, bei Gott nicht.
    «Deine Wunde versorgen.»
    Sie sah an sich hinunter und entdeckte einen langen Schnitt auf der Innenseite ihres Unterarms. Und mehrere kleine, die jedoch nicht mehr bluteten. Nun erst erinnerte sie sich, dass die Maisblätter scharfkantig gewesen waren. Wie töricht von ihr, dort hineinzulaufen! Blutflecken waren auf ihrem Kleid, doch die konnten es auch nicht mehr ruinieren. Sie wollte sich bücken, um mit dem Saum das Blut zu stillen.
    «Das hilft nicht.» Er band einen der vielen Beutel von der Bordwand los und holte denselben Lederbeutel heraus, dem er in der Küche der Mission eine Nadel entnommen hatte, um den Schnitt in seiner Hand zu nähen.
    «Sie wollen nicht allen Ernstes mit dieser Nadel in meinem Arm herumstochern?»
    «Es ist notwendig, glaub mir.»
    «Aber doch nicht ohne Betäubung? Was ist mit dem Laudanum?»
    «Das werde ich für so eine Kleinigkeit nicht verschwenden.»
    «Kleinigkeit!» Es machte ihm Freude, sie zu schikanieren, das war alles! Sie schob sich so weit zurück, bis die Bordwand in ihr Kreuz drückte. Unerbittlich folgte er ihr.
    «Warum sind Sie, wie Sie sind? Sie wurden von Franziskanern aufgezogen; dort hätten Sie etwas mehr Verständnis für die Nöte anderer lernen müssen.»
    Seine Stirn krauste sich, als er verächtlich die Brauen hob. «Dort, wo du herkommst, hast du nichts vom wahren Leben gelernt, nicht wahr? Und jetzt hör auf zu zappeln.»
    Er setzte sich neben sie, zog ihren Arm auf seinen Schoß und wusch ihn mit dem Essig aus den Vorräten der Mönche. Dann

Weitere Kostenlose Bücher