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An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

Titel: An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
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Männer Schlangen häuten oder mit Küchenabfällen Fische fangen», erwiderte sie spitz. «Wo haben Sie das alles gelernt? Doch wohl kaum von den Franziskanern?»
    «Von den Guapoye.»
    «Das ist der Stamm, aus dem Sie kommen?»
    «Nein. Ich habe einige Stämme kennengelernt. Warum willst du das wissen?»
    Weil ich meinen Feind kennen muss , dachte sie. «Es interessiert mich eben. So wie diese Schildkröte dort. Wie ein Indianer sehen Sie ja nicht unbedingt aus. Was fließt denn an Blut so alles durch Ihre Adern?»
    Der Vergleich mit der Schildkröte brachte ihn dazu, das Gesicht zu verziehen. Sie verspürte den Drang zu lachen. «So ziemlich alles», sagte er.
    «Auch spanisches?»
    Er ging an ihrer Seite in die Hocke und verdarb die Zeichnung, indem er eine fettige Hand darauflegte. «Wage es nie wieder, mich nach meiner Herkunft zu fragen», raunte er so leise wie gefährlich in ihr Ohr, sodass ihr das Lachen gefror. «Mach deinen Koffer zu; wir fahren weiter.»

    Das Schlangenfett stank, tat aber wohl auf der geschundenen Haut. Tabakschmiere, Tierfett – sie würde sich am Ende in eine Wilde verwandeln. Aber zu zeichnen war ein guter Gedanke. Sie beschäftigte sich ausgiebig mit den Versuchen, den gescheckten Rücken eines Delfins oder die Schwänze jagender Kaimane festzuhalten. Auch einen handtellergroßen blauen Schmetterling, der sich unter das Dach verirrt hatte, oder die Formationen fliegender Reiher. Die Schaumkronen auf den Wellen. Die gewaltige Größe des Flusses. Der Gedanke an Flucht wallte auf, wenn die Piroge an einem kleinen Dorf oder gar einer Mission vorbeikam, und sank wieder zurück in schmerzliche Tiefen, sobald sie vorüber waren. Manche dieser Missionen schienen verlassen zu sein – die Häuser und kleinen Kirchen wirkten aus der Ferne zerfallen und überwuchert.
    Arturo hatte keine Mühe, sich mit vorbeifahrenden Indios zu verständigen. Manchmal unterhielt er sich mit ihnen sogar auf Spanisch. Er fragte sie nach der Mission des heiligen Vinzenz von Saragossa. Alle schüttelten die Köpfe.
    Tagelang fuhren sie an ausgedehnten Savannen vorbei. Weiden, auf denen Hornvieh graste, wechselten sich mit Plantagen ab. Auch das ein oder andere Anwesen erhob sich auf den höchsten Punkten, wo der Fluss sie selbst zur Hochwasserzeit nicht erreichte. Einmal machte sich Arturo zu Fuß auf den beschwerlichen Weg dorthin und kehrte mit einer Landkarte zurück – bezahlt mit Jannas Perlenschmuck. Den Plantagen folgten Wälder, Flussmündungen, Buchten. Brodelnde weiße Wellen kündigten Felsschwellen an, welche die Weiterfahrt unmöglich machten. Doch da lauerten bereits einige Indios und boten sich an, die Maria an dem Hindernis vorbeizutragen.
    Es war eine neue Erfahrung, mit gerafftem Kleid, den Koffer an einer Schnur auf dem Rücken und einen krummen Wanderstab in der Hand, über glitschige Felsen und Wurzeln zu klettern und durch schmale Bäche zu waten. Janna bestaunte Blätter, groß wie ausgebreitete Mäntel, Lianen dick wie kräftige Männerarme oder Kolonien schlauchförmiger Pflanzen, in denen sich Insekten fingen. Aus kelchartigen Blüten trank sie Wasser, und sie las Nüsse und Früchte auf, von denen Arturo ihr sagte, dass sie essbar seien. Es ging nicht immer gut. Manchmal erbrachen sie sich Seite an Seite. Die Indios lachten.
    Die Männer zogen mit einigen Proviantsäcken, die sie als Bezahlung verlangt hatten, davon. Doch nicht alle Stämme waren freundlich. Einmal geschah es sogar, dass die Maria von Männern in Einbäumen verfolgt wurde. Janna würde nie vergessen, wie die Blasrohrpfeile dicht am Heck der Piroge ins Wasser geschossen waren. Auch nicht den in einen treibenden Baumstamm krachenden Blitz. Oder Regengüsse, die das Boot beinahe schneller füllten, als sie es ausschöpfen konnten. Dann wieder ließ die Sonne das Wasser dampfen und die Haut glühen. Auch um ein weiteres Fieber kam Janna nicht herum. Die Moskitoplage nahm zu; da halfen auch der Tabak und das Netz nicht mehr viel. Und doch: Manchmal erschien ihr die Aussicht, dieses erzwungene Leben auf eine unbestimmte Zeit fortsetzen zu müssen, nicht völlig unerträglich. Wenn sie nachts diese unfassliche Fülle der Sterne betrachtete oder tags den Fluss, den die Sonne golden aufleuchten ließ, dankte sie Gott, dass er das alles geschaffen hatte.
    ***
    Er hatte ihr befohlen, in der Maria zu bleiben. Sie wollte auch keinesfalls dieses Palafito mit seinen düsteren Gestalten betreten. Seit einer geschätzten Stunde

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