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An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

Titel: An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
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hockte Arturo im Schneidersitz bei ihnen, die Karte vor sich auf dem Holzboden ausgebreitet. Die Männer redeten leise und eindringlich. Er wollte wieder irgendeine Auskunft kaufen, die ihm half, die Vinzenz-Mission zu finden. Das Feilschen konnte sich Stunden hinziehen. Den Zweck dieses Brauches würde Janna nie verstehen; kostete er doch nur Zeit. Viel lieber würde sie das Äffchen mit dem auffälligen hellen Gesicht zeichnen, das an einen Totenkopf erinnerte. Aber als sie den Koffer öffnete, um Papier und Kohlestück herauszuholen, hoppelte es davon. Also nahm sie ein Buch zur Hand. Vorsichtig zog sie die verklebten Seiten des Robinson Crusoe auseinander.
    … ferner vermisste ich sehr Lichter. Sobald es dunkel wurde, was gewöhnlich um sieben Uhr geschah, musste ich zu Bett gehen .
    Einige von den Gedanken dieses geplagten Schiffbrüchigen konnte sie inzwischen gut nachvollziehen. Diesen eher nicht. Sie war immer froh, wenn sie sich schlafen legen durfte. Laufen über Stock und Stein war anstrengend. Segeln ebenso. Arturo hatte ihr einige Handgriffe gezeigt und erklärt, was man beispielsweise tun musste, wollte man die Fahrt verlangsamen. Er war ein großartiger Segler, der alles aus seiner kleinen Piroge herausholte. Eigentlich gehörte der Mann auf ein Schiff. Nicht nur, um sein Talent zur vollen Entfaltung zu bringen, sondern auch um Zucht und Ordnung zu lernen. Man ohrfeigte keine Dame.
    Das Segel hart anziehen, Mädchen! Sonst verlierst du den Wind! Was machst du da? Pass auf, wenn du nicht willst, dass der Baum gegen unsere Köpfe knallt!
    Es hatte auch erträgliche Momente gegeben. Momente, die sie beinahe als schön empfunden hatte.
    Schließ die Augen, Mädchen. Und nun drehe langsam den Kopf. Ja, so ist es gut. Spürst du, wie der Wind gleichmäßig über deine Wangen streicht? Hörst du ihn mit beiden Ohren gleich laut rauschen? Dann weißt du, aus welcher Richtung er weht .
    Sie betrachtete ihre Hände. Rau und schwielig waren sie geworden. Ebenso ihre Zehen, die aus den aufgerissenen Pantoffelspitzen herausschauten. Allmählich musste sie sich mit dem Gedanken vertraut machen, barfuß zu reisen. Wie Arturo, dessen Füße ähnlich ledrig wie die der Indios beschaffen waren. Was würde Reinmar sagen, wenn er sie so in Empfang nahm? Aber er wusste bestimmt einen Rat. Beau Brummell, der berühmte Dandy aus England, pflegte wie Kleopatra stundenlang in Eselsmilch zu baden, hatte er erzählt. Zweimal war es ihr vergönnt gewesen, sich an einer klaren Quelle zu entkleiden und zu waschen. Genossen hatte sie es nicht – zu groß war die Furcht, dass in den Büschen ringsum Wilde hockten und glotzten.
    Plötzlich einsetzender Regen, der auf das Bootsdach über ihr trommelte, riss sie aus ihren Gedanken. Seufzend versuchte sie sich wieder in ihr Buch zu vertiefen.
    … in solcher Weise lebte ich beinahe zwei Jahre. Mein unseliger Kopf aber, der mir immer wieder bewies, dass er dazu geschaffen war, meine Person unglücklich zu machen, steckte während dieser ganzen Zeit voll von Plänen und Absichten, die Insel zu verlassen .
    O ja, auch das verstand sie. Wieder ließ sie das Buch sinken. Wie lange war sie eigentlich unterwegs? Sie hätte es wie Robinson machen und Kerben in ein Holz schnitzen sollen. Drei Wochen? Vier? Mindestens vier: Den Mond hatte sie bereits zum zweiten Mal voll werden sehen. Und ihr monatliches Malheur hatte sie auch schon hinter sich gebracht.
    Im Palafito war man immer noch dabei, sich anzuschweigen. Arturo hielt den Kopf gesenkt. Wie üblich war sein Haar streng zurückgebunden; einige seiner schmalen Zöpfe waren nach vorn über seine Schulter gerutscht. Eigentlich wäre er jetzt ein dankbares Modell für eine Zeichnung – selten pflegten die Tiere ihr den Gefallen zu tun und eine Weile stillzuhalten. In Gedanken fuhr sie sein Profil nach.
    Die Sache mit der Monatsblutung war nicht so schrecklich gewesen, wie sie befürchtet hatte. Arturo hatte sich stets sofort abgewendet, wenn sie ihn darum gebeten hatte, damit sie sich notdürftig säubern konnte. Mit Taktgefühl hatte es bei diesem Holzklotz von einem Mann bestimmt nichts zu tun. Eher mit irgendeinem Kariben-Tabu. Andererseits pflegte auch Frau Wellhorn zu sagen, dass man als blutende Frau tunlichst im Zimmer blieb, um nicht die Rosen im Garten zu verderben.
    Er war und blieb ein rätselhafter Mensch. Was werden Sie mit dem Gold tun? , hatte sie es heute wieder einmal versucht. Mit Ihrem Anteil, meine ich natürlich .
    Das

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