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An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

Titel: An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
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Vorsteher der Ordensgemeinschaft hatte sich als Sebastián de Benaocaz vorgestellt. Inzwischen wusste Janna auch, dass es sich um einen Ordenszweig des heiligen Franziskus handelte. Genauer gesagt um einen Orden der Minderen Brüder der Kapuziner, die so hießen, weil vor dreihundert Jahren einige abtrünnige Franziskaner von der Kurie in Rom gezwungen worden waren, als äußerliches Zeichen eine spitze Kapuze zu tragen. Und den Vorsteher nannte man nicht Abt, sondern Guardian. Papistenunsinn , hätte ihr Vater zu diesen Ausführungen gesagt.
    Der Guardian war ein hagerer Alter mit ergrautem Haarkranz und pockennarbigem Gesicht. Seine schwarze Augenklappe verlieh Sebastián de Benaocaz den eigentümlichen Anstrich eines Piraten, der sich nach einem ereignisreichen Leben zur Ruhe gesetzt hatte. Er goss frische Ziegenmilch in zwei Holzbecher. Arturo nahm einen zögerlichen Schluck, Janna hingegen leerte ihren Becher undamenhaft in einem Zug. Während der Reise hatte sie öfter gehungert und sich vorhin mit Maniokbrot, Bohnen und einer sämigen roten Soße vollgestopft. Sie würde viel essen und trinken müssen, um den Geschmack all der Wurzeln, Kastanien, Nüsse und Eidechsen loszuwerden. Und Fische würde sie wahrscheinlich für den Rest ihres Lebens nicht mehr anrühren.
    «Ich hoffe, Sie haben sich ein wenig erholt», sagte der Guardian.
    Arturo nickte, und Janna dankte der Nachfrage.
    Sie säße gerne sauber vor dem Vorsteher dieser Mission, aber ein Mönch war alsbald erschienen und hatte sie hergebeten. Hoffentlich besaß Frater Sebastián keine gute Nase.
    «Darf ich fragen, woher Sie kommen?»
    Er sah dabei Arturo an. «Aus dem Delta», antwortete dieser knapp. Unruhig wippte Janna mit den Zehen. Arturo war nicht der richtige Gegenpart für eine Konversation, und sie als Frau hatte nicht vorlaut zu sein.
    «Und Sie, werte Señora …» Frater Sebastiáns Blick bat sie, ihm auszuhelfen.
    «Ich bin verlobt, Señor Reverendo», erwiderte sie denn auch lächelnd. Sofort glitt sein Blick zurück zu Arturo, und sie fügte schnell hinzu: «Mit Reinmar Götz. Er ist ein Pferdezüchter. Wir wollen in Venezuela leben. Leider hat uns ein Unglück getrennt: Unser Schiff wurde auf dem offenen Meer leckgeschlagen.»
    «Wie schrecklich, das tut mir leid. Ist er wohlauf?»
    «Aber ja, ganz gewiss. Wir kommen aus Hamburg, das ist eine freie Stadt im Deutschen Bund …»
    Sein Auge weitete sich erfreut. «Sie sind Deutsche? Wir hatten vor einigen Jahren einen deutschen Gast hier.»
    «Tatsächlich?»
    «Ja», er hob eine Hand, um das Thema zurückzustellen, und versuchte es noch einmal mit Arturo: «Darf ich fragen, wer Sie sind?»
    «Arturo.»
    Janna seufzte innerlich. Der Guardian wollte natürlich wissen, wie ein großer, kräftiger Mischling in diese Geschichte geraten war. «Der Herr hat mir geholfen und will mich zu Señor Götz bringen», erwiderte sie. An dieser Antwort würde Arturo hoffentlich nichts auszusetzen haben.
    «Aber was ist denn Ihr Ziel?», kam die nächste Frage.
    Zierlich nippte Janna an ihrem Becher. Das Lügen würde sie nicht auch noch für ihn übernehmen.
    «San Fernando de Apure», sagte er.
    «Oh. Dann haben Sie ja noch einen weiten Weg vor sich. Selbstverständlich können Sie sich hier ausruhen, so lange Sie meinen, es zu brauchen. Gerne auch bis zur Regenzeit; wenn der Fluss wieder steigt, legt auch ab und zu ein Schiff hier an. Sicherlich würde man Sie mitnehmen. Aber San Fernando am Rio Apure! Es gibt wahrhaftig angenehmere Orte, sich niederzulassen.»
    Was immer er damit meinte – Janna wollte dieses Thema keinesfalls vertiefen.

    Ein kostbares Stück duftende Seife in der Hand, lief sie den Pfad zur Quelle entlang. Die Frauen saßen um ihre Kochfeuer versammelt und bereiteten das Abendessen zu; es war anzunehmen, dass der Badeplatz in friedlicher Einsamkeit dalag. Doch als sie sich dem verheißungsvollen Plätschern der Quelle näherte, sah sie glänzende Haut aufblitzen. Hatte sich denn alles gegen sie verschworen? Nimm dir nichts vor, dann schlägt dir nichts fehl . Vorsichtig schob sie die gebogenen Blätter mannshoher Farne auseinander und stellte fest, dass es noch schlimmer war: Niemand anderer als Arturo wusch sich dort ausgiebig im Stehen.
    Hatte man ihm etwa nichts von den Badezeiten gesagt? Wahrscheinlicher war, dass er sich nicht darum scherte. Janna konnte sich lebhaft vorstellen, wie er herangestapft war, sodass die Gräser ringsum gebebt hatten, als stürze sich ein

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