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An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

Titel: An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
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Krokodil auf seine Beute, und die Mädchen schreiend davongestoben waren.
    Janna setzte sich auf eine saubere Wurzel, wo er sie nicht sehen konnte, sobald er ging. Was er sicherlich bald tun würde, denn die Sonne stand tief.
    Sie hingegen sah ihn sehr gut. Nackt wie ein urtümliches Wesen, stand er mit dem Gesicht zur Felswand, aus der die Quelle sprudelte. Durch seine offenen Haare rann das Wasser und machte sie glänzend wie schwarzes Glasgestein. Seine gebräunte Haut ließ im Licht der untergehenden Sonne hingegen an glasierten Ton denken. Eine wahrlich vollkommene Skulptur.
    Was denkst du da bloß für Tünkram?
    In irgendeinem vergessenen Winkel regte sich der mahnende Gedanke, die Augen abzuwenden. Aber sie starrte auf Muskeln und Sehnen, auf denen Wasser und Sonne tanzten. Auf die Hände. Auf einen Fuß, als er ihn hob, um die Finger zwischen die Zehen zu bohren. Sie starrte auf die Tätowierung, auf einige schillernde Narben an Armen und Schenkeln und ansonsten auf geschmeidige Glätte. Wen hatten diese Hände je zärtlich berührt? Wen sonst noch geschlagen? Sie wusste es nicht. Sie wusste fast nichts über ihn. Aber sie sah ihn entblößt. Unfasslich.
    Sieh – endlich – weg.
    Er drehte sich leicht. Janna erblickte die eigenartigen länglichen Brandnarben auf seiner Brust, dann zuckte ihr Blick zu Boden. Als sie die Augen, ganz willenlos, wieder hob, atmete sie auf: Er zeigte ihr wieder nur die prächtige Kehrseite. Nur! Hatte sie je gesehen, wie Wasser das Rückgrat eines Mannes hinunter zwischen seine Gesäßbacken rann? Natürlich nicht; außer auf Kopien von französischen Historiengemälden und Kupferstichen der berühmten Ägyptenexpedition Napoleons hatte sie noch nie einen nackten Mann erblickt.
    Entsetzt keuchte sie auf, als er sich leicht bückte und mit einer seifigen Hand zwischen die Beine griff. Sie sollte nicht nur wegsehen, sie sollte verschwinden. Aber das ging ja nicht; dann käme sie auch heute nicht zu einem Bad. Eine Spinne seilte sich dicht vor ihren Augen herab. Ungeduldig wischte sie sie beiseite.
    Ein Blatt klebte auf seinem Rücken. Wie bei Siegfried, dem Drachentöter. Er war ja auch ein Drachenherr. Ein Glucksen drängte ihre Kehle hinauf. Lachen wollte sie, wie sie es am Elbufer im Sommer getan hatte, wenn das Wetter schön gewesen und sie barfuß und mit gerafftem Rock durch den Sand gelaufen war. Woher kam das? Eigentlich sollte sie nach all dem, was sie erlebt hatte, anderer Stimmung sein. Dass sie beinahe ertrunken war, lag erst einen Tag zurück. Ja, das war vermutlich die Erklärung. Ihre Seele versuchte den Schrecken zu verdrängen.
    Als er in seine feuchten Kniehosen stieg und die Lederschnüre über den Knien zusammenband, stellte sie erstaunt fest, wie viel Zeit verflossen war. Er sprang aus dem Teich. Tief duckte sie sich in die Schatten der Farne. Nur wenige Schritte entfernt schritt er an ihr vorüber.
    Janna wartete, bis sie sicher war, allein zu sein, und stieg in den Teich. Eigentlich sollte sie erst prüfen, ob sich auch kein Getier auf dem Grund herumtrieb, das ihr schaden könnte. Aber das hatte Arturo längst vertrieben. Das Wasser war glasklar. Welch eine Wohltat! Rasch sah sie sich noch einmal um. Aber er war fort; es würde gleich dunkel sein. Sie streifte Tunika und Schuhe ab und setzte sich auf einen großen flachen Stein. Die Seife zerrieb sie zwischen den Fingern und rieb sich damit ein. Endlich, endlich! Der Länge nach ließ sie sich fallen, schloss die Augen, bewegte Zehen und Hände und schwebte ganz unbehindert von lästigem Stoff eine Handbreit über dem felsigen Boden.
    Was war das nur eben für ein eigenartiges Erlebnis gewesen? Ein schönes. Aber da es Arturo gewesen war, eben auch ein beängstigendes.
    Sie erschrak. Es war dunkel geworden. Stockdunkel. Sie stieg aus dem Teich. Wo war die Tunika? Jetzt würde sie sich den Weg zurücktasten müssen. Schon spürte sie einen Mückenstich auf dem Gesäß. Plötzlich hörte sie auch wieder all die Insekten bedrohlich surren. Überall begann es zu stechen und zu jucken. Und diese leuchtenden Augen im Dickicht, gehörten die einer Vogelspinne, einem Kaiman oder noch Schlimmerem?
    Leise schimpfte sie mit sich, während sie die Schuhe schnürte. Ohne Arturo und sein unzüchtiges Schauspiel wäre sie längst wieder im Dorf gewesen. «Ich hasse dich», stieß sie zwischen den zusammengepressten Zähnen hervor. «An allem, was mir passiert, bist du schuld.»
    «Wer ist schuld?»
    Sie hielt den Atem

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