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An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

Titel: An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
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müde.»
    «Dann mach die Augen zu.»

    Schlief sie wahrhaftig in seinen Armen? Mitten auf dem Fluss, in der Strömung, in der Nacht? Das war unmöglich. Doch als sie die Augen öffnete, war sie immer noch hier. Es regnete nicht mehr; die Luft war klar und warm. Tausende kleine Lichtpunkte glitzerten golden auf dem Wasser. Sie meinte, ein Hilfeschrei Arturos habe sie geweckt, doch wen hätte er rufen sollen? Gewiss war das alles nur ein Traum. Manchmal meinte sie den geliebten Vater zu umarmen. Und hinter dem sanften Rauschen des Flusses Oma Inekes Stimme zu hören. Du weißt doch, min Deern: Immer den Kopf hoch, auch wenn der Hals schietig ist . Dann nickte sie tapfer und schwor ihnen, nicht aufzugeben. Sie umschlang diese breiten Schultern, die ihr wie der sprichwörtliche Fels in der Brandung erschienen, noch fester.

8. Kapitel
    Kräftige Hände zogen sie in einen langen Einbaum. Sie kauerte sich zusammen. Um sie schwirrten Stimmen. Ihr wurde ungewohnt übel, als das fremde Boot Fahrt machte. Aber das war ihr gleich, wie auch alles andere: dass sie nicht wusste, wer diese Leute waren; dass ihre Glieder schmerzten und sie so schlimm fror, wie sie es in diesem heißen Land nie erwartet hätte. Sie schlief ein, bis ein kräftiger Ruck sie weckte. Stimmen schwollen zu lärmendem Geschnatter an. Da waren Frauen und Kinder. Benommen nahm sie wahr, dass man sie aus dem Kanu hob, auf einer Trage festband und eine steile Böschung hinauftrug. Das Geschaukel ließ sie zurück in bleiernen Schlaf gleiten.
    Jahre später, so kam es ihr vor, erwachte sie in einer Hängematte. Einen langen Augenblick musste sie sich sammeln. Erleichtert stellte sie fest, dass man sie nicht entkleidet hatte. Sie setzte sich auf und rieb Hände und Füße, die noch immer kalt waren. Ihre Armmuskeln schmerzten von der Anstrengung, sich an Arturo festgehalten zu haben. Liebend gern wäre sie in die Hängematte zurückgesunken. Aber was war das für ein Ort? Eine kleine Schilfrohrhütte mit einem tief herabgezogenen Dach aus Bananenblättern. Bis auf eine Wäscheleine, an der ein paar Tücher hingen, einen Hocker und ein paar hängende Körbe war sie leer.
    Draußen herrschte Leben. Neugierig tapste Janna auf wackligen Beinen zu dem Tuch, das den Eingang verhängte, und zog es beiseite. Das dort draußen war ja eine richtige Straße! Hütte an Hütte reihte sich aneinander und gegenüber ebenso. Indios liefen umher, und sie waren zu Jannas Verwunderung gekleidet. Die Frauen trugen kurze Kittel, die Männer Kniehosen oder wenigstens Lendentücher. Viele hatten sich Gesichter und Arme mit Farbe bemalt. Sie schauten neugierig herüber, während Janna die schmale Straße entlangging. Das Gelände war hügelig, der Boden aus festgetretenem Sand. Hinter den Hütten reckten sich Kokospalmen in den Himmel. Im Takt mit dem Geräusch schlagender Macheten erbebten ihre mächtigen Blätter.
    Sie gelangte auf einen weitläufigen Platz, von dem mehrere solcher Gassen abgingen. Beherrscht wurde er von einem langgestreckten Gebäude und einer Kirche, wahrhaftig aus Stein errichtet. Diese Kirche besaß keinen kläglichen Turm, wie jene in der Welser-Mission. Auf ihrem Dach thronte eine Mauer, in deren Bogenfenster eine Glocke schwang. Janna musste die Hände auf die Ohren legen, weil der Klang so ungewohnt war. Kinder rannten auf das Klostergebäude zu, wo ein braun gewandeter Mönch sie durch eine Tür lotste. Offenbar war Essenszeit; der Geruch gebackener Bohnen hing in der Luft. Der Ordensbruder hatte Mühe, die Kinder in Reih und Glied zu bringen. Sie stießen sich gegenseitig an, deuteten auf Janna und fassten sich in die Haare, als wollten sie sich überzeugen, dass ihre noch schwarz waren.
    Auch die Erwachsenen glotzten. Janna sah an sich hinunter: Mit diesem Kleid und den löchrigen Schuhen musste man auffallen, auch wenn man nicht blond war. Ein hagerer Mönch kam auf sie zu und neigte höflich den Kopf.
    «Guten Abend», begrüßte er sie auf Spanisch. «Wie haben Sie geschlafen, Señorita?»
    «Danke, sehr gut. Wo bin ich hier?»
    Er wies auf die aus Stein gehauene Figur in einer Nische über dem Kirchenportal. «In der Mission des heiligen Vinzenz von Saragossa.»
    Irgendwie überraschte sie es nicht, am Ziel zu sein. Nach einem solchen Höllenritt war das nur eine angemessene Belohnung. Allerdings verwirrte sie dieser Gedanke. Schließlich war es Arturos Belohnung, nicht die ihre.
    Ein wenig verlegen zeigte er ihr ein zusammengefaltetes Mönchsgewand

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