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An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

Titel: An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
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Arturo ihr aus dem Weg ging – hatte das Ritual mit ihr zu tun?
    Warum sollte es? Ach, dieser Gedankenwirrwarr ließ ihren Kopf brummen, als hätte sie ein Männergetränk zu sich genommen. Zeit, das Grübeln für heute zu beenden. Sie warf die Blumen auf das Grab und wandte sich ab. «Es wird gleich dunkel. Gute Nacht, Arturo.»
    Immer noch konnte sie seinen Atem hören. So tief und kräftig schöpfte man nur Luft, wenn man ein gewichtiges Wort folgen lassen wollte. Langsam setzte sie einen Fuß vor den anderen und lauschte, drei, vier, fünf Schritte lang. Nichts.
    Vielleicht war er mit seinen Gedanken bei der Schatzsuche. Bei Frater José Marias Worten. Den letzten Worten … Ich sollte auch darüber nachdenken , überlegte sie. Das wäre wenigstens etwas Sinnvolles. Das hatte sie zwar während der letzten Tage recht häufig getan, doch stets ohne irgendein Ergebnis. Zu viel Gedankenwirrwarr … Humboldt hat den Weg  … Doch jetzt, als sie noch einmal hinaufsah zu der Linie am Fels, fiel die mögliche Antwort regelrecht in ihre Arme, als hätte sie sie ausgebreitet.
    … aufgeschrieben .
    ***
    Janna kniete vor der Truhe. Sie wischte Staub, Laubreste und die eingesponnenen Flügel großer Käfer herunter. Es war schwer, den aus schwarzem, wurmstichigem Holz gefertigten Kasten näher heranzuziehen. Steinchen kratzten unter seinem Boden. Er gab sich widerspenstig wie eine Zugbrücke, die seit Jahrzehnten nicht mehr herabgelassen worden war. Der Schlüssel war so rostig wie das Schloss. Sie steckte ihn hinein, und wie erwartet ließ er sich nur mit Mühe drehen. Sie musste die Finger an ihrem Kleid abwischen und mehrmals ansetzen. Kein Klicken, eher ein Krachen verriet den Erfolg ihrer Bemühungen. Auch der Deckel widersetzte sich. Verflixt .
    Als sie endlich in die Truhe blickte, wünschte sie sich fast, Frater Sebastián hätte ihr den Schlüssel nicht ausgehändigt. Dieser feucht-modrige, von grünlichen Flecken überzogene Papierstapel sah aus, als beherberge er die allerschlimmsten Miasmen.
    Bestimmt stinkt es da drin , hatte der Guardian gesagt. Lassen Sie die Truhe eine Weile auslüften .
    Würde er jetzt über ihre Schulter blicken, wäre seine Anweisung sicherlich: Lassen Sie die Truhe verbrennen .
    Sie zog sie unter das Fenster und wartete eine Weile. Doch lange hielt sie es nicht aus, ihre Neugier zwang sie rasch dazu, die Papiere auf dem Tisch zu stapeln. Die Schrift war noch stärker verblasst als bei den Papieren aus dem Regal, und ständig musste sie mit dem Fingernagel irgendetwas abkratzen. Bestimmt war das Gesuchte ganz unten; so war es immer. Oder völlig unleserlich. Oder sie hatte sich getäuscht, und hier war gar nichts. Es war die Stimme der Vernunft, die sie warnte, sich zu früh zu freuen. Trotzdem rann eine Hitze durch ihre Adern, die sie innerlich zu verbrennen drohte. Wie nannte man das? Goldfieber?

    Sie rannte im trommelnden Regen hinunter zur Bootslände. War Arturo bei diesem Heidenwetter immer noch unterwegs? Den ganzen Tag hatte er auf dem Fluss verbringen wollen, um die Tauglichkeit der Maria zu prüfen. Nein, er war zurück; die Piroge lag wieder unter der schützenden Schicht der Bananenblätter. Also hastete sie zu seiner Hütte, hämmerte mit der Faust an den Türpfosten neben dem durchnässten Eingangsvorhang und trat ein, kaum dass sie das Knirschen seiner Hängematte vernommen hatte.
    Der anstrengende Tag hatte Schatten auf sein Gesicht geworfen. Kurz meinte sie Freude und Schrecken zugleich in seinen Augen aufleuchten zu sehen, als er ihrer angesichtig wurde. Er hob die schlammverkrusteten Füße aus der Hängematte und setzte sich auf.
    «Janna, was ist …»
    «Ich habe es gefunden!»
    «Was, es ?»
    «Was Baron von Humboldt aufgeschrieben hat. Über den Schatz! Er beschreibt ausführlich die Höhle. Unsere Höhle! Da steht, dass sie rote Gesteinsbänder aufwies … und Tonscherben … und dass es Juni war!» Sie schrie es fast. Fahrig langte sie in den Ausschnitt ihres Kleides, zerrte das Blatt Papier hervor und faltete es auseinander. «Erst war ich ganz verwundert, eine französische Notiz zu finden. Dann fiel mir ein, dass er ja in Paris lebt und seine Bücher auf Französisch verfasst. Und er hat hier Aimé Bonpland erwähnt, den Arzt und Botaniker, der ihn begleitete. Der Frater Sebastiáns Augenverletzung behandelte.» Noch einmal schüttelte sie das Papier und sah zu Arturo hoch, der sich aus der Hängematte geschwungen und über ihr aufgebaut hatte. «Er

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