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An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

Titel: An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
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Förmlichkeiten zu begraben, findest du nicht auch?»
    Er lachte aus vollem Hals, zum ersten Mal seit mehr als einem halben Jahr. «Gern, Liebste. Ich brenne darauf, zu hören, wie es dir ergangen ist und wie du hierhergefunden hast, aber ich will dich damit jetzt nicht überfordern. Sicherlich wirst du erst ein Bad nehmen wollen. Lucila, das ist unser Hausmädchen, wird sich darum kümmern. Sie ist ein bisschen schludrig, aber sehr nett. Hast du eigentlich Frau Wellhorn schon gesehen? Ach ja, natürlich, deshalb brauchte sie ja das Riechsalz … Während du badest, muss ich Briefe schreiben – die ganze Stadt soll erfahren, dass du hier bist. Und deiner Familie muss ich natürlich auch gleich schreiben …»
    «Reinmar», unterbrach sie ihn matt lächelnd. «Ich bin es gar nicht gewohnt, dass einer so viel mit mir redet.»
    «Natürlich.» Er plapperte wie ein Idiot daher. Mit welchen Leuten sie wohl zusammen gewesen war? Und wie mochten sie sie behandelt haben? Er entdeckte eine lange, wulstige Narbe an der Innenseite ihres Unterarms. Was war da passiert? Er mochte sich gar nicht ausmalen, was ihr alles in den langen Monaten zugestoßen sein konnte. «Du bist völlig zerstochen, und das hier … Ich denke, ich sollte nach Cañellas schicken lassen.»
    «Wer ist das?», fragte sie.
    «Raúl García Cañellas, ein Arzt. Und ein Freund, seitdem ich sein störrisches Reitpferd in ein lammfrommes Schoßtier verwandelt habe.»
    «Er muss sich nicht herbemühen. Mir geht es gut, und die Wunde ist ja längst verheilt. An dem, was geschehen ist, kann er auch nichts mehr ändern.»
    Sie hatte ja recht. Dieses elendige Schuldgefühl, nicht an ihrer Seite gewesen zu sein, als sie ihn gebraucht hatte, ließ sich dadurch auch nicht mehr ausmerzen. «Wenn du meinst. Wer hat das vernäht? Ein Arzt war das jedenfalls nicht.»
    «Das war der Mann, der … der …», sie japste und wischte sich aufschluchzend über das Gesicht. «Er hatte mich an der Küste aufgelesen und mitgenommen, und jetzt hat er mich hierhergebracht. Ich erzähle dir alles später, ja?»
    «Wer war er?», fragte er dennoch. Aber sie schüttelte nur den Kopf. Ein eisiger Hauch wehte seinen Rücken hinab. «Janna, Liebste, sag mir, hat er dir wehgetan?»
    Er nahm ihre Hände in seine und blickte sie so eindringlich an, dass sie hoffentlich verstand, was er meinte. Es auszusprechen war undenkbar, selbst wenn sie allein gewesen wären.
    Janna krauste die Stirn, während sie überlegte, was er meinte. Schließlich errötete sie und legte für alle anderen unsichtbar eine Hand auf ihren Schoß. «Nein, es ist nichts passiert, Liebster», sagte sie leise.
    Erleichtert atmete er aus. «Wie heißt er?»
    «Arturo.»
    «Arturo und weiter?»
    «Nur Arturo. Bitte frag nicht weiter, ich will ihn einfach nur vergessen!» Sie sagte es so inbrünstig, geradezu beschwörend, dass er sich doch wieder Sorgen machte. Offenbar war sie mit diesem Mann die ganzen Monate zusammen gewesen. Mochte er sie auch nicht geschändet haben, so klang es nicht danach, als habe er sie gut behandelt. Er wollte aufstehen, da warf sie sich ihm entgegen und umschlang ihn. Was er überrascht und glücklich in die Arme schloss, war ein schmaler sehniger Körper, in dem erstaunliche Kraft steckte. Ihr Mund suchte seinen, und er ließ sich nicht zweimal bitten. So leidenschaftlich hatte sie ihn noch nie geküsst. Als sie sich von ihm löste, sann sie dem Kuss mit geschlossenen Augen nach. Er entdeckte einige punktförmige Narben von verheilten Mückenstichen. Weiß Gott, sie war kein Vergleich mehr zu den gepflegten dunkelhäutigen Criollo-Schönheiten, die er in den Häusern der einflussreichen Familien kennengelernt hatte. Trotz allem fand er sie anziehender als jede andere Frau.
    Irgendwo hinter sich hörte er Xabiers Räuspern. «Das Bad für die Dame ist bereitet, Señor.»
    Reinmar erhob sich und blickte in die Runde. Er hatte vergessen, dass sie nicht allein waren. Andächtig, mit verschränkten Händen, stand auf der Türschwelle die dicke Ana, wie üblich mit verkniffenem Gesicht, aus dem jedoch Tränen rannen. Die gedrungene Lucila verzog im Heulen ihr breites Negergesicht zu einer Grimasse, die an alte Inka-Masken erinnerte. David glotzte nur. Er hatte sich noch nicht von der Stelle bewegt. Erst als Reinmar in die Hände klatschte, rannte er los. Das Laissez-faire war aus dem Indio nicht herauszubekommen.
    «Bringen Sie Janna ins Bad, Lucila», befahl Reinmar. Die kleine Schwarze

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