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An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

Titel: An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
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Nachricht erhalten hatte. Gleich morgen früh würde sie einen langen Brief aufsetzen. Wie viel sie darin von ihren Erlebnissen preisgeben wollte und durfte, wusste sie noch nicht. Sie fühlte sich selbst noch ganz benommen und verwirrt.
    Lucila trat vor sie, begutachtete ihr Werk und verabschiedete sich mit einem Knicks und breitem Lächeln. Frau Wellhorn kam mit einer blütenweißen Chemise und einem Korsett, das sie auf dem Bett ausbreitete.
    «Kein Kurzmieder?», fragte Janna.
    «Eines meiner Korsetts muss es erst einmal tun, Fräulein Janna. Was im Übrigen hierzulande à la mode ist; die spanische Frau mag es gedeckt und züchtig. In Europa soll es auch wieder im Kommen sein. Der Schneider ist für morgen bestellt. Ebenso der Hutmacher, der Schuster … Und dann gibt es in der Stadt ein vorzügliches Geschäft für Accessoires, Réticules, Spitzen und Bänder. Sie brauchen ja eine vollständig neue Garderobe.»
    «Wie ist es in Angostura um Buchhändler bestellt?»
    «Buchhändler? Ich habe keine Ahnung!»
    Janna schlüpfte in die angenehm weiche Baumwollchemise und das starre Korsett. Es war ihr zu groß, aber Frau Wellhorn schnürte es mit kräftiger Hand so fest, dass ihr die Luft wegblieb. Ob sie sich daran je gewöhnen würde? An das dunkelbraune Kleid mit dem breiten schwarzen Spitzenkragen und den ausgepolsterten Ballonärmeln ganz sicher nicht. Und das bei diesem Klima! Sie kam sich vor wie eine steife Puppe.
    «So, und jetzt noch der Puder.» Frau Wellhorn begab sich zum Toilettentisch, zog einige verzierte Blechdöschen aus einer Schublade und klappte sie auf. Sie entdeckte das Abschiedsgeschenk des Häuptlings der Sálipure. «Was ist denn das?»
    «Indianerschminke. Man nennt es Onoto. Das ist sozusagen ihre Garderobe.»
    «Was es nicht alles gibt! Selbst wenn ich mir den grässlichen Gedanken gestatte, dass Sie ebenfalls auf diese Weise gekleidet waren – was wollen Sie jetzt noch damit?»
    «Es aufheben. Es ist ein Erinnerungsstück.»
    Frau Wellhorn schnaubte. «Jetzt wollen wir aber Ihrer Bräune zu Leibe rücken. Eigentlich sollte man es mit einem Bleichmittel versuchen.»
    Janna bekam das Gesicht so großzügig eingepudert, dass eine weiße Wolke vor ihrem Gesicht schwebte, und die Schultern mit kräftiger Hand abgebürstet. Dann folgte aus einem Parfümflakon ein süßer Duftschwall. Sie hustete, bis Lichtpunkte vor ihren Augen tanzten.
    «So», Frau Wellhorn schob ihr einen schmalen Goldring auf den Ringfinger der linken Hand. «Das ist zwar mein Ehering, aber als Verlobte können Sie ja nicht mit nackten Händen zum Tee erscheinen. Ich schätze, die Herrschaften werden in einer halben Stunde da sein. Vielleicht auch erst in zwei, hier hat man es nicht so mit der Pünktlichkeit. Sie müssen einen guten Eindruck bei den Leuten machen, Fräulein Janna. Der Herr ist niemand Geringerer als der Bürgermeister von Angostura …»
    «Aber das weiß ich doch.»
    «… und der Gouverneur von Spanisch-Guayana.»
    «Oh.» Janna sackte auf die Kante des Bettes. Die Fischbeine des Korsetts drückten, und selbst das Kleid erschien ihr wie aus Eisen geschmiedet. Im Ärmel steckte ein Fächer; den zog sie heraus. Doch der schwache Luftzug änderte nichts daran, dass sie wie in Schweiß gebadet war.
    «Und das da», mit dem Fuß schob Frau Wellhorn die alten Lumpen mitsamt dem Indiokleid in eine Ecke, «kommt ins Feuer.»
    «Nicht das bunte Kleid!»
    «Aber …»
    «Keine Widerrede, Frau Wellhorn. Es soll gewaschen und dann in eine Schachtel getan werden. Es ist ein Erinnerungsstück.»
    «Noch eins? Wie Sie meinen. Ich hole jetzt meine guten Schuhe. Sie dürften ein bisschen eng für Sie sein, aber es schadet ja gar nichts, wenn Ihre Füße wieder erfahren, was es heißt, stramm eingepackt zu sein. Aber weshalb legen Sie sich denn hin?»
    «Es tut mir leid», murmelte Janna. Ihr war übel, heiß und kalt; ihr Kopf dröhnte, und sie begann zu zittern. Was das bedeutete, hatte sie während ihrer Reise zur Genüge erfahren. «Ich fürchte, Sie müssen mich bei den Gästen entschuldigen.»
    «Bei Gott, jetzt wird sie auch noch krank!» Frau Wellhorn schlug die Hände über dem Kopf zusammen.

    Der Arzt nahm das Ohr von ihrer Brust und richtete sich wieder auf. Dann berührte er ihre Stirn und Wangen und trocknete sich die Hände mit einem Tuch. «Ihr Herz schlägt kräftig, Señorita Sievers. Ihre Temperatur ist erhöht. Sie sagen also, Sie hatten mehrere Male Fieber? Wie oft?»
    Er setzte sich auf ihren

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