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An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

Titel: An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
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unabänderlichen Tatsachen verschließen.
    Er war eben ein Narr. Er wollte sie nicht aufgeben. Nicht heute.
    Mañana .
    Er konnte ohnehin noch nicht weg, denn der ganze Küstenabschnitt befand sich in heller Aufregung: Der Libertador war erneut mit seinen Truppen gelandet. Natürlich wusste Reinmar inzwischen seinen Namen – Simón Bolívar war in aller Munde.
    José kam entlang der Einzäunung herangaloppiert, setzte über das Gatter und brachte sein Pferd auf eine ungestüme und zugleich gelangweilte Art zum Stehen, die Reinmar nicht ausstehen konnte. Der Kerl war und blieb ein wilder Steppenbewohner. Er tippte sich gegen den Sombrero.
    «Xabier lässt ausrichten, dass Sie kommen sollen, Señor. Da ist eine Frau im Haus, die sagt, sie sei die Ihre.»
    José gab seinem Tier mit einem Schrei die Sporen, und es fegte weiter über das saftige Gras. Kopfschüttelnd gab Reinmar der Stute einen Klaps auf die Kruppe, sodass sie davontrottete. Er stieg über den Zaun und schwang sich in den Sattel seines Rappschecken. Zur Eile gab es aller Wahrscheinlichkeit nach keinen Grund. Die ganze Stadt, so klein, wie sie war, wusste von seinem Verlust, und man hatte ihm in den vergangenen Monaten drei verwahrloste Frauen vorgestellt, von denen man vermutet hatte, sie könnten Janna sein. Die Einladung in das Haus eines Kakaohändlers hatte sich sogar als geschmackloser Kuppelversuch entpuppt. Trotzdem legte er die zwei Meilen zu seinem Anwesen in halsbrecherischem Tempo zurück. War es auch nicht Janna, so wollte er diesen quälenden Moment schnellstmöglich hinter sich bringen.
    Er ritt durchs Umfassungstor, den palmengesäumten Hof und beinahe noch die Veranda hinauf. An der offenen Tür sprang er ab und überließ den Schecken sich selbst. Die Eingangshalle lag verlassen. Am rückwärtigen Eingang zum Innenhof jedoch kroch der alte Hausdiener auf allen vieren herum.
    «Xabier, was machen Sie denn da?»
    «Verzeihung, Señor! Mir ist das Riechfläschchen für Señora Wellhorn heruntergefallen.»
    Reinmar zog es mit der Stiefelspitze unter einem Fauteuil hervor, half dem klapprigen Mann auf und drückte ihm das Fläschchen in die Hand. «Wozu braucht sie das denn schon wieder?»
    «Die Hitze, Señor, die Hitze … und die Rückkehr Ihrer Gattin.»
    Die Rückkehr … Sollte er das wirklich glauben? Er musste es ja glauben; er konnte nicht anders. «Wo ist sie?»
    «Señora Wellhorn liegt oben in ihrem Zimmer.»
    «Janna!», schrie Reinmar.
    «Im – im Patio.»
    Er rannte in den Hof, stieß gegen David, den indianischen Hausburschen, und musste die stämmige Köchin beiseiteschieben, um den Hof überblicken zu können. Da war der eingefasste Teich mit den Seerosen und Wasserhyazinthen. Das üppige Grün verschiedener Palmengewächse und dunkelroter Fuchsschwänze in ihren Terrakottatöpfen. Die weiß lackierten Korbsessel zwischen den Pfeilern der Kolonnaden ringsum.
    Er musste zweimal hinsehen, um die schmale Gestalt im größten der Sessel zu entdecken.
    «Janna.»
    Ungewohnt linkisch umrundete er die Steinmauer des Teiches, stieß sich das Bein an der Ecke und fiel vor ihr auf die Knie.
    «Janna!»
    Er hob die gespreizten Hände. Endlos vorsichtig streckte er sie ihr entgegen. Nicht dass sie sich bei der leisesten Berührung als Trugbild entpuppte und verschwand … Sie sah so anders aus, geschunden, zerbrechlich. Allein ihr hellblaues Kleid wirkte, als habe sie es niemals abgelegt. Schließlich wagte er es. Seine Hände, die ihr schmales Gesicht umschlossen, kamen ihm wie Pranken vor. Ihr Haar war von der Sonne noch heller geworden, ihr Teint hingegen tief gebräunt, voller Sommersprossen und frischer und alter Mückenstiche, Nase und Wangen waren verbrannt. Aber ihre hellgrauen Augen, die waren dieselben. Auch ihr kleiner Mund. Die Art, wie sie ihn anlächelte.
    «Ich hab’s doch gewusst, ich hab’s doch gewusst …» Wie ein Geisteskranker kam es ihm immer wieder über die Lippen, und er konnte nicht damit aufhören. Trunken vor Glück neigte er sich vor, und da hob sie die Arme und umschlang ihn.
    Sie heulte auf wie ein Tier.
    «Janna», er küsste ihre Wangen. «Dass ich Sie jemals wiedersehe, das ist … mir fehlen die Worte. Ich bin so froh, dass Sie wieder bei mir sind.»
    «Ich auch, Reinmar.»
    Ihre Stimme klang erschöpft. Aber dass er diese Stimme wieder vernahm … Er hob eine ihrer rauen, braunen Hände an den Mund.
    «Also, Reinmar, nach allem, was wir durchgemacht haben, wäre es wohl an der Zeit, die

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