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An diesem einen Punkt der Welt - Roman

An diesem einen Punkt der Welt - Roman

Titel: An diesem einen Punkt der Welt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brita Steinwendtner
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in den Graben hinein, ging er noch ein Stück den Wasserlauf entlang. An einer moosigen Stelle unter einem Felsvorsprung breitete er seinen Parka aus und legte sich nieder. Rollte sich ein. Feucht, stark riechend.
    Als Tom erwachte, fror er.
    Die Morgendämmerung stand über dem Wald.
    Es dauerte eine Weile, bis er wusste, wo er war.
    Warum er hier lag, in feuchten Kleidern, zerschlagen.
    Elisa.
    Diesen Namen wollte er nie wieder aussprechen.
    Wenn er je von Elisa sprechen sollte, wollte er nur sagen: sie .
    Oder ihr/ihre , wenn ihr etwas gehörte.
    Ihre Habseligkeiten.
    An seiner rechten Hand spürte er etwas Glitschiges. Es bewegte sich. Er richtete sich auf und sah einen Feuersalamander langsam über seine Finger kriechen. Wollte ihn abschütteln im ersten Schreck, hielt sich zurück, betrachtete das Tier. Es war erstarrt.
    Stellte sich tot. Nur sein Bauch hob und senkte sich leicht mit dem Atem, auch die untere Hälfte der Mundhöhle. Der Kopf, die Augen starr. Diese weit seitlich hervorstehenden, großen, beängstigenden Augen. Sahen alles. Tom wusste, dass sie nachts eine Lichtstärke bis 10 hoch minus 4 Lux sehen können, wesentlich mehr als die Menschen, das Tier musste ihn in der Dämmerung also überdeutlich erkennen. Auch Tom bewegte sich nicht, atmete vorsichtig. Das Gefühl glitschiger Nässe auf der Hand löste sich, als die eigene Körperwärme in das Tier eindrang. Gift? Nichts schien sich abzusondern. Hatte er übersehen, dass etwas in die Luft spritzte, Salamander können das, wenn sie in Panik sind. Das Tier verhielt sich still. Tom verhielt sich still. Zeit verrann. Es gab nur sie beide: ein Mann, der betrachtete, ein Tier, das Tod simulierte. Langsam kam das Leben zurück. Vorsichtig hob der Salamander den Kopf, wartete, richtete den Oberkörper auf, wartete, bewegte ein Beinchen, wartete, dann das andere, wartete, das dritte, das vierte. Begann wegzukriechen, in normalem Tempo, als ob nichts gewesen wäre. Sein Leib wurde eine Schlangenlinie, bog sich weich und rhythmisch zwischen den Beinen nach links und rechts, den Kopf erhoben, die riesigen Augen immer noch starr. Es kroch von der Hand, kroch über das Moos und eine schmale Felsrippe, die Beine sorgsam die Unebenheiten des Geländes betastend und ausgleichend. Tom verfolgte fasziniert diese Bewegung des glänzenden, leuchtend orangefarben gefleckten Salamanderkörpers, der sich weiter schlängelnd vorwärts mühte. Das Tier wurde schneller, die Bewegung ausladender, das Schöne an ihr verschwand, sie wurde zum Zeichen des Lurchischen, Reptilischen, das immer Unbehagen hervorruft. Zielbewusst flüchtete der Salamander jetzt tiefer unter den Felsvorsprung in das braune, feuchte Laub, das sich hier angesammelt hatte. Die schwarze Bewegung verschwand, schließlich das dünne Ende des Schwanzes. Die leuchtenden Signalflecken blieben in Toms Augen zurück.
    Er schüttelte seine Hand.
    Riss Moos aus und versuchte, das samenähnliche Sekret von der Berührung des Tieres zu entfernen. Zurück blieb Kälte.

26
    … ihr Wasser unbelauscht
    ihr Uhren tief in uns
    Wie über die Zeit kommen?
    Über die Uhren, die Stunden, die Monate, das Jahr?
    Was geschieht in den Häusern, den Familien, was tun die Menschen, auf welche Art schneidet eine Frau die Zwiebeln, befeuchtet sie vorher das Brett, damit keine Tränen fließen, und wohin blickt der Mann, wenn er ihr den Slip über die Schenkel zieht, geht er in die Knie und hat das Kind einen Teddy zum Einschlafen oder die Hand eines Brüderchens, welche Gerüche stehen in den Räumen, stellt der Opa sein falsches Gebiss hinter die Spraydosen des Badezimmers, liegt die Rocco-Eisenbahn verpackt in den Kartons im Keller,
    oder hört er das Rauschen, leise und akkurat, als ob es kein Unglück gäbe und keine Unvorhersehbarkeiten, dieses leise und stete Rocco-Rauschen im Wintergarten des Großvaters am See, die rote Lok zieht die roten und schwarzen Waggons, sie fahren schnell oder langsam ihre Runden, je nach Knopfdruck, Runde um Runde und immer dieser elegante, kleine Schlenker des ganzen Zuges auf das Nebengeleise, er konnte sich nicht sattsehen an diesem Schlenker,
    wie merkt man, dass man den Verstand verliert, er hat kein Gewicht, keine Form, keinen Geruch, wie spür ich, dass er nicht mehr da ist? Ist er zu Boden gefallen, tritt man auf ihn mit schweren Schuhen, hat er sich in Luft aufgelöst oder hat er sich in den Worten verborgen,
    die schönen, stillen Gespräche mit ihr , vormittags oder mittags an einem

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