Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
An diesem einen Punkt der Welt - Roman

An diesem einen Punkt der Welt - Roman

Titel: An diesem einen Punkt der Welt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brita Steinwendtner
Vom Netzwerk:
bis zum Boden reichte. Der Schatten eines Menschen? Nichts zu sehen. Erstarrtes Wort.
    Tom schrieb an Parmenides. Bekam auch eine höflich dankende Antwort, nüchtern und ohne Einladung, zu kommen. Er hätte gerne mit ihm über Wahrheit gesprochen, über die des Parmenides von Elea und prinzipiell, ob es sie gebe oder alles nur eine Frage der Perspektive sei. Gaukelei der eigenen Wünsche.
    Im Laufe der Zeit konnte niemand mehr von Toms Freunden dessen unnachgiebige Haltung verstehen.
    Bist du völlig übergeschnappt, sagte Matthias, als er von seiner Reise durch Marokko zurückkam und sie auf der Veranda saßen und tranken, bist du immer noch so unversöhnlich, du, der immer die Freiheit propagiert hat, das freie Leben, das freie Denken, den Sprung über den Bach, du, der immer alles toleriert hat im Lamanderhaus, der die große Attraktivität war, weil er anders war, du warst ja der Einzige, der nicht nur darüber geredet hat, du bist diese Freiheit gewesen , du hast sie vor unseren Augen gelebt , drum haben wir dich ja alle so bewundert, jetzt bist du der ärgste Kleinbürger, Spießbürger, nein, die würden nicht so stur sein, du bist ärger als sie, denn von dir hat man es nicht erwartet, dein ganzes Leben ist für etwas anderes gestanden, für Großzügigkeit und Weite, und jetzt fällst du zurück in die Muster, die du bekämpft hast, schon damals in der Comunità und seither jeden Tag deines Lamandergrabenlebens … Tom, das bist doch nicht du! Du bist ein unausstehlicher Mensch geworden, da kannst du noch so viel in deinen Bürgergremien für eine bessere Welt reden, in deinem eigenen Leben bist du engstirnig und nur ein gekränkter Gockel. Bist ja wie dieser unsägliche Friedrich Hofreiter bei Schnitzler im „Weiten Land“, der aus purer Rachsucht den jungen Liebhaber seiner Frau kaltblütig im Duell anvisiert und erschießt: Man will ja nicht der Hahnrei sein. Ist das eine Motivation? Tom, denk einmal nach! Elisa ist eine großartige Frau, sie liebt dich, liebt dich immer noch, ich seh sie ja manchmal, sie geht vor die Hunde, es geht ihr schlecht. Aber du? Hast du dir das nur eingebildet, dass du sie liebst, denn sonst könntest du dich jetzt nicht so unendlich blöd verhalten … Hast du dich schon einmal gefragt, was du falsch gemacht hast? Das war ja vorauszusehen, viel Rücksicht auf sie hast du nicht genommen. Warst immer weg, wenn es dir gepasst hat, sie war viel allein. Getan hast du gar nichts in deinen Beziehungen, was sie am Leben erhalten hätte, hättest dich halt etwas bemühen müssen …
    Lass mich in Ruhe, fuhr ihn Tom an, du mit deinen Playboygeschichten brauchst mir gar nichts sagen! Du schon überhaupt nicht! Sie stritten noch eine Weile, dann war Stille.
    Muss man etwas tun für eine Liebe?, fragte sich Tom, als Matthias gegangen war. Er hockte alleine in der Küche, wie der Franz vom Riedlhof, so saß er da vor seinem Bier, muss man wirklich etwas tun für eine Liebe? Ist nicht sie und nur sie ausgenommen von jeder Bemühung und jedem Kalkül? Ist sie nicht das Selbstverständlichste, das rätselhafte Geschenk, das einem zufällt oder nicht, das man nicht suchen und nicht finden kann, sondern das einfach ist ?
    Der Vater rief an, er fragte nach Elisa. Er verehrte das Mädchen, das so ausgleichend wirkte und einen so guten Einfluss auf seinen Sohn hatte. Tom wich aus. Die Mutter verstand nicht, was geschah, sie hatte kein Interesse an den Problemen anderer Menschen. Ihr Sohn war nichts als ein anderer Mensch.
    Außer Roberta waren nur Dominiks Eltern für Tom eine Stütze. Er konnte kommen und bleiben, sooft und solange er wollte. Lucia war verständnisvoll, aber ohne ihn zu bemitleiden. Sie war so, wie ihr Name sagt: leuchtend. Für den Verein war sie voll Energie. Wenn sie in das Sitzungszimmer kam, schien jedes Problem kleiner, jedes Projekt sinnvoller, sie gab allen das Gefühl, dass ihre gemeinsame Arbeit tatsächlich ein GO FOR BETTER war. Florian versuchte, Tom neuerlich für das Fotoprojekt mit den Arbeitern der Zementfabrik zu interessieren und es auch auf die Mitarbeiter seiner eigenen kleinen Firma auszudehnen. Er hatte mit wenigen Arbeitskräften begonnen, jetzt beschäftigte er in Büro und Fabrikation bereits neununddreißig – zwei Jahre später sollten es über hundert sein. Er exportierte seine Aluminium-Gartenhütten nach Deutschland, Belgien, Frankreich und Italien, sie waren als Bauteile gut zu verschicken und von der Optik her elegant. Im Lauf der Jahre war

Weitere Kostenlose Bücher