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An diesem einen Punkt der Welt - Roman

An diesem einen Punkt der Welt - Roman

Titel: An diesem einen Punkt der Welt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brita Steinwendtner
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Florian zu einem der vielen mittelständischen Unternehmer geworden, die der Region Arbeit gaben und den Bezirk wirtschaftlich zu einem der attraktivsten des Landes machten. Selbst die Wirtschaftskrise überstand der Betrieb glimpflich, Florian bemühte sich, ohne Entlassungen durchzukommen, stellte vorübergehend auf Teilzeit um und konnte nach Abflauen der Krise alle wieder voll beschäftigen. Das war nicht in allen Betrieben so. Er war noch einmal davongekommen, das wusste er. Er, seine Mitarbeiter und deren Familien. Er wusste, was es bedeutet, arbeitslos zu sein. Nie mehr wollte er das erleben müssen und auch niemand anderem zumuten. Wenn damals Lucia nicht bei ihm gewesen wäre –
    Für Dominik war Toms Trennung von Elisa eine Katastrophe. Sie zerstörte seinen Glauben an das Immerwährende zwischen Mann und Frau, wie seine Eltern es ihm vorlebten und wie es nach den Verletzungen seines jungen Lebens die Projektion für seine eigene Zukunft war. Elisa war für ihn Sex und Liebreiz, Spass und lässige Zielstrebigkeit. Er verstand Tom nicht. Er mochte ihn nicht, wenn er so war wie jetzt, wenn er verstockt schwieg oder negativ redete, das war ihm fremd an Tom, das stieß ihn ab. Es war die erste Erschütterung in der Bewunderung für seinen Lehrmeister. Nie, nie würde er ein Mädchen wie Elisa fortschicken, das sagte er ihm auch, das getraute er sich zu sagen, aber Tom drehte sich nur um und ging, rief ihm noch in aggressivem Ton zu: Schau lieber, dass du dein Leben in den Griff bekommst! Dominik war fassungslos.
    Mikram mischte sich nicht ein. Tom hatte sich zurückgehalten, als die Auseinandersetzungen um die Scheidung begonnen hatten, Mikram tat es jetzt ebenso. Sie sahen sich von Zeit zu Zeit am Badesee, wenn Tom ihm im Kiosk half. Es war ein exterritorialer Ort, sie liebten beide diesen See, der in Wälder eingeschlossen lag, an einer Seite nur durch einen künstlichen Wall vom Zusammenfluss zweier smaragdgrüner Flüsse getrennt. Wenn bei Regenwetter keine Leute kamen, war der See eine stille Oase in bewegter Welt.
    Eines späten Sommerabends saß Tom alleine am Ufer des Sees. Ohne Plan. Fingertrommeln in der Leere. Warum hatte ihn niemand gewarnt? Warum war er selbst so stumpf und blind gewesen? Am Himmel machten ein paar Wolkenfetzen Jagd aufeinander, wie damals bei Virgil, als er noch lebte, es war auf dem Lenzanger, die Sonne verschwisterte sich eben mit dem Wald, die beiden Männer gingen zurück von der Kapelle zum Haus, der Löschteich war wie immer bedeckt mit dem Giftgrün der Wasserlinsen, Tom war entmutigt damals aus vielerlei Gründen, die er jetzt gar nicht mehr zu benennen wusste, da nahm Virgil ihn an der Hand, machte mit der anderen eine Bewegung des Trotzes und der Ermunterung und sagte: Du machst es. Du machst schon alles richtig. Aber vergiß nie das Erbarmen mit allem, was lebt.
    So war Tom noch von niemandem getröstet worden.

28
    Tom kannte sich selbst nicht mehr. Er saß noch immer auf dunklem Grund und konnte nicht hinauf in die Welt. Nicht hinauf zu ihr , die alle im Dorf mit jenem Namen nannten, den er nicht mehr aussprechen wollte. Er würde gerne hinauf ins Licht, aber er konnte nicht. Er war ein Klumpen Erz. Wartete darauf, geschmolzen zu werden. Von wem? Müsste nicht er selbst Feuer machen?
    … der Tag, an dem ich
    mir das linke Auge durchschoß
    aber nicht mehr …
    Er schob sein Bett, das er vor Jahren in die Zimmermitte gestellt hatte, um mehr Raum für Bücherstellagen zu bekommen und den Wassertropfen auszuweichen, die durch das undichte Dach sickerten, neuerlich an eine andere Stelle. Das Wasser war ihm nachgewandert. Er legte sich nieder, stand auf. Legte sich wieder nieder,
    … der Tag, an dem
    in der Fleischerzeitung stand,
    stand auf, rückte noch einmal am Bett, griff sich an den Bauch, er musste sich verrissen haben, es war ein stechender Schmerz,
    … das Leben geht weiter,
    der Tag, an dem es weiterging …
    natürlich geht es weiter, naturgemäß sozusagen geht es weiter, er hätte gerne Ilse Aichingers Sarkasmus gehabt und Thomas Bernhards analytischen Blick, der wie ein Bohrer in weiches Holz dringt, aber er hatte selbst einen Bohrer im Kopf, er fegte die Bücher weg, wollte nicht lesen und konnte nicht lesen, er wollte schlafen. Der Tag, an dem es weiterging, ja. Feelings can be life’s biggest problem. You’ll be washed out to sea and never seen again … Er schmiss auch dieses Buch auf den Boden, ist ja ein Witz, wenn das so weitergeht, wenn das

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