An diesem einen Punkt der Welt - Roman

Spielcasinos zu betreiben, die einen werden reich davon, die anderen krepieren daran. Diejenigen, die in den meist himmelschreiend armen Reservaten leben und bleiben, verkommen durch Unbildung und Whiskey. Es gibt die Programme der Regierungen, ja, sicher, sie sagen, sie bemühen sich, aber es ist fake , es ist Betrug. Nimm dieses reiche Land, du siehst es, seit Tagen fahren wir über Ebenen und Hügel, in großen Wellen liegt es vor uns, es erträgt alles, die Gletscher und die Erosion, den Sturm, die sengende Sonne, den Regen, die Büffelherden, das Jagdgeschrei meines Volkes, die langen Züge der Planwagen der europäischen Siedler, die Spaten der Goldgräber, die Trassen der Eisenbahnen, die weißen und die braunen Stiefel der Cowboys, die Rinderherden, die Highways und die wachsenden Städte. Warum haben die Weißen alles gebraucht, alles Land, alles, alles genommen? Es hat uns nicht gehört, wir haben kein Verständnis von Besitz gehabt wie ihr. Das Land gehört der Mother Earth und dem Great Spirit über allem, so habt ihr das unzulänglich übersetzt, was für uns viel mehr bedeutet als diese vier verbrauchten Wörter. Wir haben hier gelebt. Und wir hätten alle hier leben können, friedlich nebeneinander. Wir kennen nichts anderes als Verlieren und Verlorensein.
    Tom nimmt ihre Bitternis auf.
    Aber er ist glücklich, wenn sie redet.
    Aiyannas Urgroßvater war Ire, der vor der Hungersnot in seiner Heimat flüchtete. In der Nähe von Saskatoon fand er Arbeit als Lehrer, ließ sich hier nieder, heiratete eine Cree aus dem Stamm von Big Bear , lernte Sprache und Sitten, wurde zu einem der ihren. Versuchte, eine eigene Schule für indianische Kinder aufzubauen. Ich kenne nur ein Bild von ihm, wie er inmitten seiner eigenen und seiner Schulkinder steht, sagt Aiyanna, er gefällt mir gut. Er starb als geachtetes Mitglied unseres Stammes. Aiyannas Mann war aus South Dakota von den Oglala-Indianern, die zu den Lakota aus der Sioux-Sprachfamilie gehören, in den Norden gekommen, als wandernder Erntearbeiter. Seine Großmutter war eine Französin aus Rapid City gewesen. So mischten sich die Sprachen und die Gedanken.
    *
    Wanted: Drivers.
    Gerippearme, die in den Himmel stehen. Mächtig und trotzig. Stahlgerippe gegen schwefelgelben Himmel. Eine Phalanx von Eisenkriegern, kommt näher über zerstampfte Hügel. Der Asphalt ist schlammig, die Trucks sind schlammig, riesige Anlieferungsplätze im schwarzgrauen Schlamm. Gelbe Getreidefelder als Staffage.
    Fast auf derselben geographischen Linie, rund 300 Meilen weiter östlich, liegt die Iron Range, Bob Dylans Gegend. Eisen unter der Erde, magnetische Anziehung, der ganze Mittlere Westen ist voller spiritueller Energien , schreibt er, es war ihm ein Land, in dem sehr viel indianischer Geist lebte, sehr fein, sehr stark, ein guter Boden für erstaunliche halluzinatorische Erfahrungen, wenn man nichts weiter tut, als aus dem Fenster zu sehen .
    Ein Paar sieht aus dem Fenster seines Ford Pick-up.
    Sieht kein Geheimnis, nichts Feines, hat keine Halluzinationen.
    Sieht nur brutale Energie.
    In North Dakota ist goldrush .
    Das neue Gold ist Öl.
    Bohrtürme, hunderte, vielleicht tausende Bohrtürme über die Hügel hinweg, in den Senken, den Feldern. Aufheulen von Motoren, Straßen als Rennpiste für Trucks. Overloader mit riesigen Rohren, Kabeln und Materialien rasen durch das Bild. Egal, was einer kann oder ist, hier findet jeder Arbeit. Hier könnte auch Tom Arbeit finden. Hier wird jeder reich. Schnelles Geld, kaputtes Land.
    Zwischen Watford City, Williston und Hamlet ist Ölboom. Ein neues, höchst aufwendiges Verfahren, das horizontal drilling , hat es möglich gemacht, diesen riesigen unterirdischen Öl-Gas-See, der mit Unterbrechungen angeblich bis jenseits von Philadelphia reicht, anzubohren und aufzubereiten. Millionen von Hektolitern Wasser und aggressive Chemikalien sind dazu notwendig. Wehe, wenn einer die Schürfrechte unter der Erde in den vergangenen Jahren verkauft hat. Er ist jetzt ein armer Mann auf zerstörtem Getreideland. Neben ihm entstehen täglich neue Millionäre. Dominik, der Student der Montanistik, sollte hierherkommen, dieses Land wäre ein abenteuerliches Studienobjekt. Bis 2015 werden die USA, so die Prognosen, der größte Ölproduzent der Welt sein.
    *
    Unterwegs: ein Weißer und eine Indianerin mit europäischen Einsprengseln.
    Zufall?
    Oder ist es der Pfeifevogel, der sie begleitet?
    Der hat nur einen Ton, den langen, einzigen Ton des