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An diesem einen Punkt der Welt - Roman

An diesem einen Punkt der Welt - Roman

Titel: An diesem einen Punkt der Welt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brita Steinwendtner
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ohne Grenzen, hier war Spielzeugland, Legoland, er hatte den Wunsch, es in die Hand zu nehmen, es genau zu betrachten und sich ein eigenes daraus zu erbauen.
    Und das Wort jetzt flog ihm zu, das Elisa vor Jahren ins Spiel gebracht hatte, in einem hellen März in Griechenland. Und er ließ das Wort in seinem Kopf hin- und herrollen, er wusste nicht, was er damit anfangen sollte, es war ein verwelkter Ast, ein ausgetretener Schuh, es fielen ihm viele abgegriffene Bilder dafür ein, aber das Jetzt brachte ein anderes Wort über die Sommerwiesen herauf, auf einem blumengeschmückten Tablett wurde es ihm serviert und zwischen seinen Augen abgestellt, wie auf einem Bild von Max Ernst, das Wort war unscheinbar, es hieß einfach: hier . Es kam zurück aus dem Weither des einmal Gedachten, dem einmal Gesagten in einer Freitags-Beisel -Nacht vor vielen Jahren, es war eine Sommernacht, es regnete, die Blätter des Nussbaums leuchteten nass im Licht, das von den Zimmern auf sie fiel, Menschen unterhielten sich, der Bach rauschte, das Haus lag in der Beuge, die Zeit schliff, with no direction home , die Angst trieb im Kehrwasser, etwas wollte weiter, like a rolling stone , und etwas kam hinter ihm her, er sang und spielte, Elisas Augen, damals,
    vor Jahren,
    und jetzt war das Wort wieder da, stand zwischen seinen Augen, er bog den Kopf zurück, blickte den Stamm der Wetterlärche entlang hinauf ins Blau und sagte:
    Ja, hier.
    Verstreut meine Asche – –
    Und lachend stand er auf, hoch flogen die Schwalben ihr Zickzack, im Dorf warteten Menschen auf ihn, die er liebte, und irgendwo da unten wuchs ein ungeborenes Kind, das seines hätte sein können, es war es auch, absurd das zu denken, aber es war ein Teil von ihm, denn Elisa war ein Teil von ihm geblieben, trotz des erstarrten Lachens in dieser einen Salamandernacht und des langsamen Strömens des Saskatchewan.
    Flimmernde Hitze über den Gräsern und der Himmel aufgespannt über Hügeln und Zweigen, ein helles Singen in ihm, Musik von Geigen und Tamburin. Auf der östlichen Seite des Waldgürtels lag der verlassene Riedlhof. Franz, der Lastkraftwagenfahrer, der nie Bauer sein wollte, hatte sich zu Tode gesoffen. Im westlichen Sattel stand das verlassene Gehöft auf dem Lenzanger, in dem der Holzfäller Virgil zuletzt gewohnt und abends seine Trompetensoli in die Wälder geschickt hatte, auch er war tot. Tom sah im Bergabgehen, dass die Schicht der giftgrünen Wasserlinsen im Löschteich noch dicker geworden war. Der Birnbaum am herunterbrechenden Spalier an der Südseite war schwer mit Früchten, hellgelb wie kostbare Seide. Zwei Katzen sonnten sich auf der Türschwelle und schnurrten, als er näher kam. Er lehnte sich an den warmen Stein der Hausmauer, besonnt Gesicht und Wiesenland, und seine Fragen waren über alle Berge. Kresseduft und loser Wind, sommerlau und wirsinghell. In der Kapelle hielt Maria immer noch ihren Sohn in den Armen, ein weißer, steifer, brettähnlicher Körper als toter Gott.
    So viel Tod um ihn.
    So viel Herrlichkeit.
    Das grausamste Nebeneinander.
    Das banalste auch.
    Und er selbst?
    Ich?
    Ich darf leben! –
    Er war zurück.
    Ah, die Ranch! Ich liebe sie!
    *
    Tom machte sich an die Arbeit. Haus und Garten waren verwildert. Er wunderte sich, wie schnell das ging. Im Innenhof war das Tretboot zwischen Brennnesseln und jungen Holunderstauden nicht mehr zu sehen. Lianen schlangen sich um den Nussbaum, die Schaukel hing nur an einem Strang, der Phlox war von hohem Gras erstickt, die Rosen standen müd von verwelkten Blüten, die wuchernden Uferbüsche verdeckten den Blick auf den Bach. Das kleine Stauwerk war weggespült, das Baumlager, das er mit den Nachbarskindern gebaut hatte, war zur Hälfte heruntergefallen. Er wird ein neues mit ihnen bauen. In den Räumen war es muffig, es roch nach Schimmel. Tom öffnete alle Fenster, ließ tagelang die Sommerluft durchziehen und versuchte, in das Chaos, das er vor seiner Abreise hinterlassen hatte, Struktur zu bringen. In der Küche waren Mäuse über den Reis gekommen, überall waren die Körner verstreut. Er stellte Fallen auf, auch im Keller und auch größere gegen die Ratten. Auf der Veranda war Spinnweb und Staub, er befreite den Boden von den Blätter- und Samenbergen, die sich angesammelt hatten, und überzog das Bett neu. Vom Vordach und vor den südseitigen Fenstern hingen Stanniolfiguren, Gewandfetzen und tote Krähen herab, es sah furchterregend aus und wie der Fingerzeig eines bevorstehenden

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