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An diesem einen Punkt der Welt - Roman

An diesem einen Punkt der Welt - Roman

Titel: An diesem einen Punkt der Welt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brita Steinwendtner
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with one hand waving free
    Silhouetted by the sea, circled by the circus sands
    With all memory and fate driven deep beneath the waves
    Let me forget about today until tomorrow
    Hey! Mr. Tambourine Man, play a song for me
    I’m not sleepy and there is no place I’m going to
    Hey! Mr. Tambourine Man, play a song for me
    In the jingle jangle morning I’ll come followin’ you …
    Den Pick-up gibt Tom zeitgerecht in Toronto zurück.

36
    Er hasste sie.
    Er liebte sie.
    Er schlug sie.
    Er begehrte sie.
    Er beschuldigte, fragte und fragte sie.
    Stand auf, pechschwarz, stand auf, kalkweiß.
    Schlug das Fenster zu, riss es wieder auf.
    Legte sich in das von Tieren und Wind zerwühlte Verandabett.
    Zählte die Sterne zwischen den Blättern des Nussbaums.
    Wurde schwindlig davon.
    Rannte in die Küche, stieg auf die achte knarrende Stufe.
    Rote Bohrer im Kopf.
    Zielte auf Ratten.
    Verfehlte sie alle.
    Warf den Namen Aiyanna dem Bach ins Maul.
    Rief niemanden an.
    Nahm Schlaftabletten.
    Das ging Tage so.
    Waren es Wochen?
    Hochsommer. Glühende Tage, kühle Nächte im Lamandergrund. Langsam beruhigte sich Tom. Er sah den Garten, ging um das Haus. Nahm den Weg bachaufwärts. Baute Anjuschka ein neues Gedenkkreuz aus Birkenholz, dort, wo sie ermordet wurde nach dem Krieg der Welt. Warf das vermorschte Fichtenkreuz in den Bach. Blieb lange im Dickicht der Quelle. Er wartete auf einen Feuersalamander. Es kam keiner, das Tier würde Regen brauchen.
    Auf den freien Gipfelwiesen des Grillparz schrillten die Grillen. Tremolo der Hitze. Er schrie es nieder. Die Wetterlärche trug weiche, lange Nadeln, an den Astspitzen die kegelförmigen roten Blütenzapfen. Auf der Bank hatte jemand ein frisches Herz ins Holz geschnitzt, zwei Initialen daneben. Duft von Harz und Heu. Milderte die Qual, seltsam. Besänftigte. Bienen summten, Insekten tanzten. Der Pfiff eines Habichts trieb über das Land, stand lange zitternd in der Luft, verebbte, Fadeout wie an den Reglern einer Studiomaschine. Die Hügel beugten sich zueinander, als ob sie beratschlagen wollten. Die Grate und Felsrücken der ferneren Gebirge standen wie Schirmherren darüber. Die Wiesen und Getreidefelder in den Tälern ringsum waren geordnet, wie ein blumiger Fächer, man könnte ihn auf- und zuklappen und es würden sich die immer gleich anmutenden Segmente übereinanderschieben. Wege dazwischen von Hof zu Hof, Straßen von Dorf zu Dorf, Kirchtürme, rote Dächer, hohe Scheunen, Obstgärten, winzig erkennbar. Kleinbetriebe da und dort, Fabrikhallen, Einkaufszentren, Bürohäuser, von hier oben alles in friedlicher Struktur. Normalität. Arbeitsam die Menschen. Fleißig. Alles Nachdenken auf später verschoben. Die Abluft der Zementfabrik war gefiltert, die Autobahn über weite Strecken untertunnelt, die Bauern kämpften um „faire Milch“, die klostereigenen Betriebe florierten, im Stiftskeller war große Gaudi. Die Wälder wuchsen, die Felder standen schön in unterschiedlicher Reife, Hafer, Weizen, Gerste, Dinkel und Roggen, silbriggrün, grüngelb, hagelhimmelgelb, meisenbauchgelb, flachs, honigfarben, bernstein und golden.
    Windstille.
    Jeden Tag wieder hinauf.
    Mittags, wenn alle die Hitze mieden und Tom alleine war.
    Heimaterde?
    Darüber wäre er früher erschrocken.
    Natur war da, aber sie war doch nie Seufzerbrücke gewesen.
    Oder, schlimmer, tödliches Kultobjekt einer Ideologie.
    Aber es ging nicht nur um Wald und Wiese.
    Es ging um den Geruch des Vertrauten.
    Um das Unnennbare, die Membran zur Freude.
    Um dieses berückende Geflecht von allem.
    Von Landschaft und Menschenwerk, Chaos und Normalität, Sein und Tun.
    Vorsichtige Botschaften von Sicherheit.
    Geborgenheit wollte er nicht sagen.
    Eine verwirklichte Utopie von der perfectibilité des Menschen? Von der Möglichkeit seiner Vervollkommnungsfähigkeit? Langsam, langsam wie die gewundene Bewegung der Lurche?
    Hier, aus der Distanz, schien es so.
    Hinter den Türen der Schmerz?
    Dennoch: Boden unter den Füßen.
    Schuhgroß nur, aber es war ein Standplatz.
    Grillparz.
    Es war ihm, als ob ein Kran ihn gepackt und hier abgesetzt hätte. Er schaute rund um sich, 360 Grad ging der Blick über den Horizont, der zerklüftet war in Erhebungen und Abstürzen, Aufschwüngen und Niederungen, kurzen und langen Linien, Schleifen und Wellen, eine Bewegung weithin, die sich erst im Dunst der Ebene zur Donau hin beruhigte. Tom sah dieses kleinteilige Land neu, er kam aus dem erbarmungslosen Wind der Prärien und den Ebenen

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