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An einem Tag im Winter

An einem Tag im Winter

Titel: An einem Tag im Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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hatte.
    Ein plötzlicher Regenschauer prasselte ans Fenster. Ellen glaubte, irgendwo im Haus leichte Schritte zu hören, und lauschte mit weit geöffneten Augen in die Dunkelheit. Es musste der Hund sein, Hamish.
    Sie drehte sich auf die Seite, zog die Bettdecke hoch und machte die Augen zu.
    Am nächsten Morgen standen Pfützen auf dem Vorplatz vor dem Haus, aber der Himmel hatte aufgeklart, und das Wasser in der Bucht war ruhig. Von ihrem Fenster aus konnte sie den Garten sehen, der, noch feucht vom Regen, in der Sonne glitzerte. Sie atmete tief die kühle, reine Luft ein und genoss die Stille, die von keinem Verkehrsgeräusch gestört wurde. Ihr Blick fiel auf ein Meer blutroter Blüten, das sich leuchtend von den dunklen Nadelbäumen abhob. Weiter oben am Hang waren Fußwege, Terrassen und Blumenbeete zu erkennen, aber sie musste immer wieder zu diesem großen blutroten Fleck hinübersehen.
    Sie schaute auf ihre Uhr. Halb zehn. In aller Eile machte sie Toilette, kleidete sich an und ging dann hinunter. Es war still im Haus. Im Speisezimmer war der Tisch schon abgedeckt; sie musste das Frühstück verschlafen haben. Eine einsame Scheibe Toast lag vergessen auf einem Teller. Sie aß sie und ging dann hinaus. In der Eingangshalle blieb sie stehen, von den zwei Fotografien auf dem Konsoltisch angezogen. Das Bild von Alec zeigte ihn über die Schulter zurückblickend, ein Lächeln um die Lippen, eine Hand zum Gruß erhoben, als hätte der Fotograf ihn überrascht. Sie fragte sich, wer die Aufnahme gemacht hatte. Mrs. Hunter vielleicht. Oder Catriona Campbell.
    Sie nahm das andere Foto, von dem Mann in Marineuniform, zur Hand und betrachtete es genauer. Es war ein gestelltes Bild, eine Atelieraufnahme, vermutete sie. Der Mann schien älter zu sein, als Alec es jetzt war. Ein auffallend gut aussehender Mann mit klarem, direktem Blick, forschend, beinahe streng.
    Â»Er war ein schöner Mann, nicht wahr?«
    Ellen hob den Kopf. Mrs. Hunter stand an der Tür.
    Â»Ist das Alecs Vater?«, fragte Ellen.
    Â»Das ist mein Mann«, antwortete Mrs. Hunter. »Das ist Francis.«
    Â»Was war er für ein Mensch?«
    Â»Er war wunderbar. Alles, was ich kann und weiß, hat Francis mich gelehrt. Ich war nichts, bevor ich ihm begegnete, ein albernes kleines Geschöpf, das vom Leben keine Ahnung hatte. Von ihm habe ich gelernt, wie ich mich kleiden, wie ich mich benehmen und welche Bücher ich lesen muss. Er war mein ganzes Leben, und ich hätte mein eigenes Leben für ihn gegeben.« Sie nahm Ellen die Fotografie aus der Hand, wischte mit ihrem Taschentuch über das Glas und stellte sie an ihren Platz zurück.
    Â»Entschuldigen Sie.« Sie wusste selbst nicht recht, wofür sie um Entschuldigung bat – dafür, dass sie es gewagt hatte, das Bild zur Hand zu nehmen, oder dafür, dass Mrs. Hunter ihren Mann nicht mehr hatte. »Ich hoffe, Sie verzeihen mir, dass ich das Frühstück versäumt habe«, sagte sie. »Ich habe verschlafen. Ich weiß nicht, wie das passieren konnte, ich verschlafe fast nie.«
    Mrs. Hunter lächelte. »Sie waren nach der langen Fahrt wahrscheinlich todmüde. Soll ich Ihnen noch etwas zum Frühstück machen, oder möchten Sie lieber zuerst meinen Garten sehen?«
    Â»Ich würde mir sehr gern den Garten ansehen. Wo ist denn Alec?«
    Â»Er ist für mich nach Oban gefahren. Wir wollten Sie nicht stören, und ich bin immer so froh, wenn er mit dem Wagen hier ist. Das Einkaufen ist ziemlich beschwerlich für mich. Mr. Fleming kommt zwar mit seinem Lieferwagen vorbei, aber er hat nicht immer alles vorrätig, auch wenn sich unser kleines Lädchen hier natürlich alle Mühe gibt.«
    Â»Fahren Sie nicht Auto, Mrs. Hunter?«
    Â»O nein.« Ein perlendes Lachen. »Bei uns ist immer Francis gefahren. Er verstand etwas von Autos und hat dafür gesorgt, dass der Wagen bei jedem Wetter gelaufen ist. Donald Frazer hat ihn nach Francis’ Tod in die Garage gestellt, und denken Sie nur, als Alec alt genug war, um den Führerschein zu machen, ist er gleich beim ersten Versuch angesprungen.«
    Ellen zeigte gebührende Bewunderung. Als sie nach draußen gingen, fragte Mrs. Hunter: »Gärtnern Sie auch, Miss Kingsley?«
    Â»Leider nicht. Bitte, sagen Sie Ellen zu mir.«
    Â»Dann müssen Sie mich Marguerite nennen.«
    Der Kies auf dem Vorplatz glänzte

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