An einem Tag im Winter
Mutter darüber gesprochen hatten, während Ellen sich oben frisch machte, aber selbst zu Beginn des Abendessens war es nicht Mrs. Hunter, sondern Catriona gewesen, die das Glas auf sie erhoben hatte. Mrs. Hunter hatte zwar in den Toast eingestimmt, das Gespräch aber sofort in andere Bahnen gelenkt. Alecs Freunde sind hier immer willkommen, hatte sie bei ihrem Empfang gesagt, und einen Moment hatte Ellen sich verblüfft gefragt, ob Alec seiner Mutter überhaupt von der Verlobung erzählt hatte. Er war zwar ein Mensch, der sich nicht gern in die Karten schauen lieÃ, wenn es um seine persönlichen Gefühle ging, aber natürlich hatte er seiner Mutter ihre Verlobung mitgeteilt. Er hatte Ellen erzählt, er habe ihr geschrieben, und der Hauptgrund für diesen Besuch in Schottland war schlieÃlich, seine Mutter mit seiner zukünftigen Frau bekannt zu machen. Umso merkwürdiger, dass Mrs. Hunter sich bisher mit keinem Wort nach ihren Heiratsplänen erkundigt hatte. War es möglich, dass ihr die Verlobung nicht passte? Nein, wahrscheinlich wartete sie einfach auf einen ruhigeren Moment.
Nach dem Essen lehnte Mrs. Hunter ihre Angebote ab, ihr beim Abräumen zu helfen, einzig Mr. Frazer erhielt die Erlaubnis, das Geschirr in die Küche hinauszutragen und frisches Holz für den Kamin zu holen. Alec schlug Ellen vor, etwas frische Luft zu schnappen. Hand in Hand gingen sie durch den Garten, wo die Grashalme ihre Knöchel streiften, und konnten es kaum erwarten, sich endlich küssen zu dürfen. Das Mondlicht fiel auf einen Teich und das Standbild einer jungen Frau inmitten einer Gruppe weiÃstämmiger Birken, deren Laub leise raschelte.
Alec gab dem steinernen Mädchen einen leichten Klaps auf den Kopf. »Darf ich dir unsere kleine Jeanie vorstellen? Cat und ich haben ihr einmal eine von Donalds Pfeifen in den Mund gesteckt und eine Schachtel Streichhölzer in die Hand gedrückt. Ich dachte, meine Mutter würde durch die Decke gehen, wenn sie das sähe, aber sie hat es zum Glück von der komischen Seite genommen.«
»Catriona hat mir erzählt, dass ihr mal zusammen wart.«
»Ach ja?« Sein Blick flog zum Haus. »Das ist Jahre her. Wir waren Kinder damals.« Er lächelte. »Komm her.« Nach einem langen, innigen Kuss fragte er: »Und â wie findest du meine Insel?«
»Sie gefällt mir sehr.«
»Ich dachte, sie wäre dir vielleicht zu â«
»Was?«
»Zu abgelegen. Wir sind hier ja ziemlich weit ab vom Schuss.«
»Huhu, hab ich euch erwischt!«, rief jemand aus der Dunkelheit, und sie fuhren auseinander. »Ich verrate nichts, wenn du mich nicht verrätst, Alec.«
Ein glühender Punkt nicht weit vom Haus zeigte Ellen, dass es Catriona gelungen war, sich hinauszustehlen, um eine Zigarette zu rauchen. Als sie durch den Garten zurückgingen, entfernte sich Catriona von der Mauer, an der sie gelehnt hatte, trat ihren Zigarettenstummel aus und begleitete sie wieder ins Haus.
Ihre Gedanken kamen nicht zur Ruhe, als sie an diesem Abend im Bett lag. Bilder des vergangenen Tages zogen schnell wechselnd an ihr vorbei: die weiÃe Jacht auf dem Loch Lomond, das durchscheinende Wasser an den Ufern des Loch Feochan. Und Catriona, die plötzlich im Salon von Kilmory House stand und Alec küsste. Hatte er nicht von ihr gesprochen, weil er sie nicht für wichtig hielt? Oder weil sie sich einmal nahe gewesen waren? Hinter Catrionas scherzhaft-ironischem Geschäker mit Alec schien Ellen mehr zu stecken als gewöhnliche freundschaftliche Zuneigung.
Ihre Phantasie zeigte ihr die beiden, wie sie, weit jünger damals, Hand in Hand über den schwarzen Strand von Seil gingen oder sich vor einem stürmischen Meer in den Armen hielten.
Andererseits war es schwer, sich vorzustellen, dass Catriona Alecs Interesse länger fesseln könnte. Alec war vielleicht in einer entlegenen Gegend Schottlands aufgewachsen, aber er war ein weltläufiger Mann, der das Kultivierte schätzte. Catrionas einfache Kleidung, ihr frisches, ungeschminktes Gesicht standen in krassem Gegensatz zu Andrée Fourniers kühler Eleganz. AuÃerdem hatte Ellen bei Catriona eine Unbarmherzigkeit gespürt, die auf die Dauer nur abschreckend wirken konnte und die sich in ihren spöttischen Bemerkungen ebenso gezeigt hatte wie in der zynischen Art, mit der sie von ihren Patienten im Krankenhaus gesprochen
Weitere Kostenlose Bücher