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An einem Tag im Winter

An einem Tag im Winter

Titel: An einem Tag im Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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violett-grau vom nächtlichen Regen, und der Rasen funkelte in allen Regenbogenfarben. Jetzt, bei Tageslicht, schienen Ellen ihre nächtlichen Beklemmungen grundlos. Sie und Marguerite Hunter brauchten einfach Zeit, um einander kennenzulernen. Die Beziehung zwischen Schwiegermutter und Schwiegertochter war von Natur aus heikel.
    Plötzlich schoss der Scotchterrier aus einem Gebüsch heraus. »Hierher, Hamish!«, rief Mrs. Hunter. »Immer muss er die Kaninchen jagen. Er hat noch nie eins erwischt, aber er gibt nicht auf.«
    Â»Ich glaube, ich habe ihn vergangene Nacht im Haus herumlaufen hören.«
    Â»Oh, da müssen Sie sich getäuscht haben, Miss Kingsley.« Mrs. Hunter knipste im Vorübergehen eine vertrocknete Knospe von einem Strauch. »Ich sperre Hamish nachts immer in der Küche ein. Hunde sollten meiner Meinung nach nicht frei im Haus herumlaufen dürfen.«
    Die Rasenflächen waren von Blumenbeeten umgeben. An den Mauern der Terrassen, die in den steilen Hang hinter dem Haus gebaut waren, hatte man Steingärten angelegt, Fußwege führten den Hügel hinauf. Hinter der Gruppe Silberbirken, an dem steinernen Mädchen vorbei, neben dem sie und Alec sich am vergangenen Abend geküsst hatten, stiegen sie aufwärts.
    Â»Der Garten war ziemlich verwahrlost, als Francis das Haus geerbt hat«, erklärte Mrs. Hunter. »Mein Mann war ein begeisterter Gärtner, genau wie ich. Er hat die Terrassen alle selbst ausgehoben. Bei starkem Regen kann es hier Erdrutsche geben, wissen Sie, deshalb müssen die Terrassen mit Trockenmauern gut abgestützt werden. Nicht eine von Francis’ Terrassen ist je weggedrückt worden.«
    Â»Das war sicher harte Arbeit.«
    Â»Die hat er nie gescheut. Er war ein praktischer Mensch. Ich bewundere praktische Menschen.«
    Sie kamen an den Sträuchern mit den blutroten Blüten vorüber, die Ellen von ihrem Zimmerfenster aus aufgefallen waren. Im Schatten hingen noch Tautropfen an den Blütenblättern.
    Â»Was sind das für Sträucher?«
    Â»Diese hier? Die sind mein ganzer Stolz. Sie haben sich eine gute Zeit zur Besichtigung meines Gartens ausgesucht. Um diese Jahreszeit ist er am schönsten, wenn der Rhododendron und die Azaleen blühen. Kilmory House ist berühmt dafür. In Blüte kann man sie sogar von der anderen Seite der Bucht aus leuchten sehen.«
    Sie stiegen weiter den Hang hinauf. Moosbedeckte Steine säumten den Weg, und die Ufer der Bäche, die zwischen den Felsen hindurch abwärtssprangen, waren mit Farn bewachsen. Der Weg führte steil immer höher in die Bäume hinauf und wurde nach einer Weile so schmal, dass sie hintereinander gehen mussten. Mrs. Hunter führte, sie bewegte sich schnell und gewandt auf den ihr vertrauten Pfaden, mit einer drahtigen Energie, die man ihr bei ihrem Alter und dieser zierlichen Figur kaum zugetraut hätte. Ellen, die nicht an Wanderschuhe gedacht hatte, hatte Mühe, in ihren schicken Trotteurs auf den feuchten Steinen Halt zu finden. Als sie über die Schulter zurückblickte, konnte sie unten die Schieferdächer des Hauses erkennen.
    Unter den Bäumen war die Luft kälter und der Schatten dunkler. Eine braune Nadeldecke lag unter den roten Stämmen der Föhren ausgebreitet, ein harziger Geruch hing in der Luft. Blassgrüne Flechten kräuselten sich an den Ästen. Ein schmaler Steg führte über eine Felskluft, in der ein Bach sprudelte.
    Hoch oben teilte sich eine immergrüne Hecke vor einer weiteren Terrasse. Tongefäße standen zu beiden Seiten eines gepflasterten Platzes, einige mit Frühlingsblumen bepflanzt. Unter dem schützenden Dach einer kleinen Holzhütte, eines nach vorn offenen Sommerhäuschens, standen ein Tisch und zwei Stühle.
    Â»Das ist Catrionas Lieblingsplatz«, sagte Mrs. Hunter. »Sie sitzt manchmal stundenlang hier oben. Ich nenne es ihr Versteck.« Sie trat an den Rand der Terrasse. »Kommen Sie, Miss Kingsley, diesen Blick müssen Sie sehen.«
    Â»Ich bleibe lieber hier.«
    Â»Sie brauchen keine Angst zu haben. Es ist nicht gefährlich.«
    Dennoch schlug Ellen das Herz bis zum Hals. Lag es an dem steilen Aufstieg oder daran, dass sie den Abgrund nur wenige Schritte entfernt wusste? Oder lag es vielleicht an der Unerbittlichkeit, der unbeugsamen Härte, die sie bei Marguerite Hunter spürte?
    Â»Mir sind Höhen nicht geheuer«, sagte

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