An einem Tag im Winter
ersten Monats in der neuen Stellung beschloss Ellen, ein Essen zu geben, um Professor Malik für seine Hilfe zu danken. Neben dem Professor, seiner Frau und Alec wollte sie auch Riley einladen, um ihm Gelegenheit zu geben, ihren Verlobten besser kennenzulernen. Und da sie India in letzter Zeit nur selten gesehen hatte, bat sie auch sie dazu.
Der einzige Tag, der allen Gästen passte, war ein Freitag. Ellen, die den ganzen Tag im Labor beschäftigt war, musste ihre Einkäufe in aller Eile in der Mittagspause erledigen und die Tüten in der U-Bahn nach Hause verfrachten. Für sechs Leute zu kochen bedeutete erstaunlich viel Arbeit, und die Mängel der gemeinsamen Küche machten sich bald unangenehm bemerkbar â verbeulte Töpfe mit losen Griffen, nicht ein Stück Besteck, das zum anderen passte, noch dazu kein Kühlschrank.
Riley traf als Erster ein. Ellen riss die Schürze herunter und rannte nach unten, um ihm die Tür aufzumachen. Er hatte ihr einen Strauà Rosen in braunem Packpapier mitgebracht.
»Sie sind aus unserem Garten«, bemerkte er, als er ihr nach oben folgte. »Kann sein, dass ein paar Blattläuse dransitzen.«
»Sie duften jedenfalls berauschend. Und dieses tolle Pink. Danke, Riley.«
»Wie gehtâs denn voran?«
»Gar nicht. Ich habe Angst, dass der Fisch schlecht geworden ist. Er hat bei dieser Affenhitze den ganzen Nachmittag in meiner Einkaufstasche gelegen. Ich möchte auf keinen Fall jemanden vergiften. Und die Gelatine wird nicht fest.«
In der Küche öffnete Ellen das Päckchen mit der Seezunge, und Riley roch daran und befand den Fisch für gut.
»Und die Gelatine â¦Â« Sie holte die Schüssel vom Fensterbrett.
Himbeeren schwammen in einer roten Brühe. Riley warf nur einen kurzen Blick darauf und sagte: »Da ist leider nichts mehr zu retten. Was wolltest du denn machen?«
»Trifle.«
»Hast du Sahne da?«
Ellen nickte.
»Ich werde mal versuchen, die Himbeeren herauszufischen, dann könntest du Himbeeren mit Schlagsahne zum Nachtisch machen. Einverstanden?«
»Riley, du bist ein Schatz. Ein kühler Kopf in der Krise. Wenn es dir recht ist, lasse ich dich hier einfach werkeln und gehe mich umziehen. Ich sehe bestimmt fürchterlich aus.«
»Blödsinn. Du bist schön wie immer.«
»Schmeichler.« Sie lief schon ins Badezimmer.
Als sie wieder nach oben kam, frisch geschminkt und in einem pfefferminzgrünen Kleid, hörte sie schon auf dem Flur die Stimmen von Riley und Alec aus der Küche.
»Wir sind uns vor einigen Jahren einmal ganz kurz in Gildersleve Hall begegnet«, sagte Riley gerade.
»Das weià ich gar nicht mehr, tut mir leid«, erwiderte Alec. »Was in drei Teufels Namen tun Sie denn da?«
»Ich fische Himbeeren aus der SoÃe.«
»Interessant. Ich mache weiter, wenn Sie wollen.«
»Das ist nicht nötig. Ich bin gleich fertig.«
»Riley, tausend Dank.« Ellen trat in die Küche und küsste erst Riley, dann Alec. »Riley versucht gerade, aus meinem verunglückten Nachtisch das Beste zu machen«, erklärte sie ihrem verdutzten Verlobten.
»Wie bewundernswert häuslich«, sagte Alec.
»Schatz, würdest du â¦Â« Sie schob ihre Haare hoch.
Er zog ihren ReiÃverschluss das letzte Stück hinauf, dann nahm er sie in die Arme und küsste sie. Ellen merkte, dass Riley angelegentlich zum Fenster hinausschaute.
In diesem Moment läutete es, und sie eilte wieder nach unten, um die Maliks und India einzulassen, die sich auf der Vortreppe schon miteinander bekannt gemacht hatten. In der Küche folgte die allgemeine BegrüÃung, Wein wurde eingeschenkt, dann war die Tomatensuppe warm, und die Gäste setzten sich. Ellen sorgte dafür, dass alle Brot und Butter, Wein und Wasser hatten, und war erleichtert, als ihre Suppe von allen Seiten gelobt wurde.
Anfangs drehte sich das Gespräch um Kristallografie.
»Wenn es heiÃt, dass man mithilfe von Röntgenstrahlen die Struktur eines Kristalls darstellen kann â«, fing Riley an.
Alec blickte von seiner Suppe auf. »So leicht lässt sich das einem Laien nicht erklären. Haben Sie irgendeine naturwissenschaftliche Vorbildung?«
»Ich habe mich in der Schule so durchgeschlagen«, brummte Riley.
»Ich meinte, ein Studium.«
»Nein, tut mir leid. Der Krieg.«
Professor Malik fragte:
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