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An einem Tag im Winter

An einem Tag im Winter

Titel: An einem Tag im Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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mich bestrafen. Nein – sie will mich vernichten.«
    Er starrte schweigend zum Fenster hinaus. India wusste, dass er bis ins Tiefste erbittert war, dass das Gespräch mit seinem Bruder ihn so aufgebracht hatte, und das bedrückte sie. »Ich sollte jetzt lieber nach Hause fahren«, sagte sie, und wieder widersprach er, nachdrücklicher diesmal: »Nein.«
    Â»Ich habe Sebastian seit Tagen nicht gesehen.«
    Â»Sebastian wird es schon überleben, wenn du noch ein paar Stunden länger wegbleibst. Ich muss mit dir reden, India, und brauche noch ein, zwei Stunden Gesellschaft. Danach kannst du tun, was du willst.«
    Â»Wollen wir irgendwo etwas trinken?«
    Er schüttelte den Kopf.
    Â»Oder ein bisschen tanzen?«
    Â»Jetzt quälst du mich.« Er küsste ihre Hand. »Ich möchte lieber nach Hause. Morgen gehen wir groß aus, ich verspreche es dir. Vielleicht wage ich mich sogar auf die Tanzfläche.«
    In seiner Wohnung machte er ihnen etwas zu trinken. »Es ist gut möglich, dass ich Gildersleve Hall verliere«, sagte er. »Ich habe mich dagegen gewehrt, ich habe verdammt hart gekämpft. Aber es verschlingt ein Heidengeld, schon seit Jahren, und ich habe einfach keines mehr.«
    Â»Wegen der Scheidung?«
    Â»Ja. Ich habe heute Morgen ewig mit meinem Steuerberater zusammengesessen.« Er lockerte den Knoten seiner Krawatte. »Ich habe das Gefühl, ich pendle nur noch zwischen Anwälten und Steuerberatern hin und her. Früher konnte ich bei Alisons Eltern leihen, wenn Not am Mann war, aber die Quelle ist jetzt natürlich versiegt.«
    Â»Und wenn du zur Bank gehen würdest –«
    Er lachte bitter. »Wenn es so einfach wäre. Diese Geldmenschen in der City sind der reinste Hexenzirkel. Kaum spricht sich herum, dass man knapp bei Kasse ist, ist man für sie gestorben. Ich habe weiß Gott alles versucht, aber jetzt fällt mir nichts mehr ein. All diese Spießer und Bürokraten, mit denen ich in den letzten zehn Jahren einen Haufen Zeit vertan habe, um ihnen Geld für Gildersleve zu entlocken, schlagen mir jetzt die Tür vor der Nase zu.«
    Er nahm eine Zigarette aus einer Dose auf der Kredenz. »Auf der Eigentumsurkunde von Gildersleve Hall steht Alisons Name«, fuhr er fort. »Darauf hat ihr Vater bestanden, als er mir damals unter die Arme gegriffen hat, damit ich das Anwesen kaufen konnte.« Er runzelte die Stirn. »Es ist komisch, ich dachte, es würde mir mehr ausmachen. Doch offenbar haben diese Dinge eine natürliche Lebensspanne. Es hat eine Zeit gegeben, da hätte ich für Gildersleve meine Seele verkauft.« Er lachte trocken. »Vielleicht habe ich das tatsächlich getan.«
    Â»Was hast du denn jetzt vor?«
    Â»Ich weiß es noch nicht. Man hat mir an einer Universität in Amerika einen Posten angeboten. Aber ich habe Gildersleve noch nicht aufgegeben, verdammt noch mal.« Er knipste sein Feuerzeug an. »Die Amerikaner glauben noch an sich selbst, sieh uns dagegen an – keiner würde merken, dass wir diesen verfluchten Krieg gewonnen haben. Wir können uns dieses knauserige Wirtschaften von damals anscheinend nicht abgewöhnen. Bescheidene Vergnügen und bescheidene Ambitionen.«
    Â»Ich finde das gar nicht so schlimm«, sagte sie. »Ich kann mich genau erinnern, wie sehnlich ich mir ein Paar richtige Nylonstrümpfe gewünscht habe, als ich noch in der Schule war. Nur ein einziges Paar. Wir mussten immer schwarze Wollstrümpfe tragen.«
    Â»Die Vorstellung von dir in schwarzen Wollstrümpfen ergötzt mich ungemein, India.«
    Â»Deine bescheidenen Vergnügen – elegante Restaurants, gleich mehrere schicke Autos, edle Weine, ach, und natürlich India.«
    Â»Du irrst dich, wenn du dich als bescheidenes Vergnügen siehst. Wirklich.« Er zog sie zu sich, die Hände auf ihrem Gesäß, und drückte sie an sich. Leise sagte er: »Es würde bedeuten, dass ich auf gewisse Dinge verzichten muss, wenn ich von hier weggehe.«
    Â»Deine Tochter.«
    Â»Ja, Rowena.« In seinen Augen brannten dunkle Flammen. »Vielleicht wäre es gar keine so schlechte Idee, England für einige Jahre zu verlassen. Bis sich die Wogen geglättet haben. Aber sie haben mir noch nicht genug Geld geboten.« Ein Lächeln spielte um seinen Mund. »Nicht genug, um mich von gewissen bescheidenen Vergnügen

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