An einem Tag im Winter
wegzulocken.«
8
MITTE JUNI HÃRTE ELL EN AM KRANKENHAUS auf, um eine neue Stellung als Forschungsassistentin eines Freundes von Professor Malik an der London University anzutreten. Professor Jerry Collins war Amerikaner, ein wuchtiger Mann mit einer wilden Kraushaarmähne und groÃen Händen, denen man das Fingerspitzengefühl, das bei der kniffligen Arbeit mit Kristallen notwendig war, nicht zugetraut hätte. Er war ein Experte in seinem Fach, ein umgänglicher Mensch von schier unerschöpflicher Gutmütigkeit. Er und Ellen hatten sich auf Anhieb verstanden.
Ihre Aufgabe war es, Kristalle zu züchten, zu präparieren und abzubilden. Sie hatte auÃerdem die Arbeit der jungen Frauen zu überwachen, die ins Labor kamen, um die umfassenden und langwierigen Berechnungen durchzuführen, die Professor Collins für seine Arbeit brauchte. Sich endlich wieder ihrer alten Beschäftigung im Labor widmen zu können, der Herstellung von Lösungen, der mikroskopischen Untersuchung von Kristallen und der Aufzeichnung ihrer Merkmale und Abmessungen, verschaffte ihr eine tiefe innere Befriedigung und Ruhe, als wäre sie, eben noch von Stürmen geschüttelt, wieder auf Kurs gekommen.
Ende Juni fuhr Alec nach Seil hinauf. Er unternahm die Fahrt allein; Ellen hatte sich überlegt, dass seine Mutter sich vielleicht eher an den Gedanken ihrer Verlobung gewöhnen könnte, wenn sie sich zurückhielt und Mutter und Sohn Zeit miteinander gönnte. Sie hatte Alec nichts von der Bemerkung seiner Mutter oben beim Sommerhäuschen gesagt â O ja, Sie sind sicher besten Willens â , hatte es für klüger gehalten, sie für sich zu behalten. Ja, auf der Rückfahrt nach London hatte sie sich sogar gefragt, ob sie Mrs. Hunter nicht vielleicht missverstanden hatte, ob dort oben auf der Höhe nicht das Pfeifen des Windes und das Rauschen der Bäume eine harmlose Antwort zu etwas Ominösem verzerrt hatten.
Sie einigten sich auf eine lange Verlobungszeit von mindestens zwei Jahren. SchlieÃlich hatte Ellen gerade eine neue Stellung angetreten, und Alec wollte schon bald ein neues Forschungsprojekt in Angriff nehmen. In dieser Zeit würden sie und Marguerite Hunter sich besser kennenlernen. Sie hoffte, dass sich allmählich Zuneigung zwischen ihnen entwickeln würde. Man musste Alecs Mutter die Chance geben, sich auf die veränderte Situation einzustellen, und sie, Ellen, musste sich bemühen, Gemeinsamkeiten zu finden, vielleicht ein Interesse, das sie miteinander teilen konnten. Ganz sicher wünschte sich Alecs Mutter doch Enkelkinder. Ein Kind würde gewiss eine engere Verbindung zwischen ihnen schaffen, auch wenn es ihnen jetzt noch schwerfiel, sich einander anzunähern. Was Catriona anging, so musste Ellen über die Eifersucht, die sie auf Seil verspürt hatte, beinahe lachen. Wenn Catriona noch an Alec hing, dann war sie eher zu bemitleiden als zu fürchten.
Aber Marguerite Hunter war nicht die Einzige, die von der Verlobung nicht unbedingt begeistert war. Im Frühsommer war Ellen mit Alec nach Wiltshire zu ihren Eltern gefahren. Gleich beim Abendessen nahm ihr Vater Alec ins Verhör. Wie seine Pläne für die Zukunft aussähen. Wie alt er sei. Ob er vorhabe, weiterhin eine Karriere in der wissenschaftlichen Forschung zu verfolgen. Er fragte ihn nach Eltern, Familie, Ausbildung, politischen Ansichten. Später, als ihr Vater sich in sein Arbeitszimmer zurückgezogen hatte, hatte Ellen Alec zugeflüstert, ihr Vater erwarte, dass jeder seine Zukunft wie einen Feldzug plane. Er solle sich davon nicht irritieren lassen.
Enttäuschender fand sie das Gespräch mit ihrem Vater bei einem Abendspaziergang in den Kreidehügeln, die sich hinter dem Dorf erhoben. »Er ist ja ein sympathischer Bursche«, sagte ihr Vater, »aber bist du sicher, dass du auf ihn bauen kannst, Ellen?« Ob er zuverlässig, aufrichtig und beständig sei, meinte er damit. »Aber natürlich«, antwortete sie gekränkt, und ihr Vater, der ihre verletzten Gefühle bemerkte, tätschelte ihr die Hand.
»Hauptsache, du bist glücklich, Schatz. Er ist nur so dekorativ, weiÃt du, und ich habe gewisse Schwierigkeiten, dekorativen Männern zu trauen. Deine Mutter findet ihn umwerfend.« Aber das Gespräch hatte, zum ersten Mal in ihrem Leben, eine kleine Distanz zwischen ihnen geschaffen, die geblieben war.
Am Ende ihres
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