An einem Tag im Winter
verliebt.«
Ausweichend erwiderte sie: »Ich glaube nicht, dass ich für die Ehe geschaffen bin. Ich bin nicht der Mensch dazu.«
»Ach, und was für ein Mensch muss man dazu sein?«
»Du weiÃt genau, was ich meine. Es gibt Frauen, die werden Ehefrauen, und es gibt Frauen, die immer nur Geliebte sind. Ich gehöre zur zweiten Sorte.«
»Und so soll dein Leben ewig weitergehen? So soll es sein, wenn du erst dreiÃig, vierzig, fünfzig bist?«
Aus irgendeinem Grund musste India an Peachey denken, in ihren vermoderten Charlestonfummeln aus den Zwanzigerjahren, umgeben von den Porträts, die in ihrer Blütezeit gemalt worden waren. Vielleicht würde sie auch so enden, dachte sie, allein mit einem halben Dutzend stinkender Katzen und den Relikten vergangener Herrlichkeit.
»Ich weià nicht«, sagte sie leise.
»Hast du denn gar keine Ziele?«
»Ich habe nie gedacht, ich sollte ein groÃer Filmstar werden oder vielleicht ein Buch schreiben, falls du das meinst.« Sie drehte eine Falte ihres Rocks um ihren Finger. »Ich kann mich nicht erinnern, je jemandem begegnet zu sein, der glücklich verheiratet war.«
»Manche Leute schaffen es. Wenige. Meine Eltern waren eigentlich ganz glücklich.«
»Bei meinen bin ich mir da nicht so sicher. Und sowieso â«
»Was?«
»Erinnerst du dich an den Vortrag, den ich mit Ellen besucht habe? Bei dem wir uns kennengelernt haben?«
»In der Royal Institution?«
»Ja. Da hast du über schlechtes Blut gesprochen.«
»Wirklich? Wie unwissenschaftlich von mir. Ich habe wahrscheinlich versucht, mich in Worten auszudrücken, die auch ein Laie versteht.«
»Glaubst du das alles?«
»Ich habe über Erbkrankheiten referiert. Glaube hat da nichts zu suchen.«
»Ich meine, glaubst du, dass schlechtes Blut in der Familie liegen kann?«
»In gewisser Weise, ja. Wo es wissenschaftliche Beweise für eine erbliche Krankheit gibt, könnte man sagen, dass schlechtes Blut in der Familie liegt.«
»Findest du, dass solche Leute heiraten sollten? Findest du, sie sollten Kinder bekommen?«
»Ich finde es verantwortungslos, wissentlich kranke Kinder in die Welt zu setzen. Sie können niemals ein normales Leben führen, und es besteht die Gefahr, dass sie die Krankheit an die nächste Generation weitergeben.«
India dachte an das Haus im Wald, den blauen Schimmer der Glockenblumen und an ihre Mutter, die mit Neil zu »My Funny Valentine« tanzte.
Sie sagte: »Ich weià nicht, ob meine Mutter Kinder hätte haben sollen.«
»Deine Mutter ist an einer Herzschwäche gestorben, die die Folge eines Anfalls von rheumatischem Fieber in ihrer Kindheit war.«
Sie zog die Augenbrauen hoch. »Du hast das nachgeprüft?«
»Ja, ich habe es nachgeprüft. Es stand auf dem Totenschein. Du hast keinerlei Anlass zu glauben, dass du ihre schwache Gesundheit mitbekommen hast, India. Du machst dir Kopfzerbrechen wegen nichts. Du strotzt vor Gesundheit. Das ist mir von Anfang an bei dir aufgefallen, deine körperliche Vollkommenheit. Vollendete Form und Harmonie. Wirklich auffallend.«
»Du redest von mir wie von einem Hund in einer Ausstellung. Gleich wirst du mein glänzendes Fell loben.«
Er lachte. »Tut mir leid, entschuldige. Aber körperliche Gesundheit besitzt eine starke Anziehungskraft. Immer neigen die Schönen dazu, die Schönen zu heiraten. Genetisch gesehen ist das absolut vernünftig. Die weniger Glücklichen müssen mit dem vorliebnehmen, was übrig bleibt.«
»Findest du dich schön, Marcus?«
»Ganz so würde ich es nicht formulieren. Aber ich bin in meinem Leben keinen einzigen Tag krank gewesen. Mir tun die Menschen leid, die ständig an diesem oder jenem zu leiden scheinen. India, was willst du vom Leben? Denk darüber nach. Du wirst mir wahrscheinlich nicht glauben, aber die Zeit fliegt, und eines Tages merkst du, dass es zu spät ist, um eine neue Richtung einzuschlagen.«
Wenig später verabschiedeten sie sich voneinander. Zu Hause lag Sebastian schlafend auf dem Wohnzimmersofa. India ging auf Zehenspitzen in die Küche und goss sich ein Glas Milch ein. Dann kehrte sie ins Wohnzimmer zurück und setzte sich in einen Sessel. Sebastian lag reglos unter der Decke, das Licht aus der Küche fiel auf sein wirres helles Haar.
Eine tiefe Zärtlichkeit stieg in ihr auf, als
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