An einem Tag im Winter
mit einem violetten Samtkragen.
Auf ihr Läuten öffnete eine Frau mittleren Alters, die ihr, nachdem sie sich vorgestellt hatte, Hut und Baskenmütze abnahm und sie in den Salon führte. Sie brauchte einen Moment, um sich darauf einzustellen, dass ein Sonntagslunch bei den Pharoahs kein intimes familiäres Beisammensein war: Mindestens zwanzig Leute unterhielten sich in dem groÃen Raum mit den cremefarbenen Wänden und den von blassgelben Vorhängen umrahmten Fenstertüren, die zu einer Terrasse mit eufeuüberwachsenen steinernen Urnenvasen hinausführten. Gemälde schmückten die Wände, einige davon abstrakte in hellen, fast schreienden Farben, andere vom Alter gedunkelt; auf Tischen und Konsolen leuchteten üppige Arrangements aus Herbstlaub und Beeren.
Alison Pharoah war Mitte dreiÃig, schlank und mittelgroÃ. Das halblange, hellblonde Haar lockte sich um ein Gesicht mit leicht aufgeworfener Nase, runden Augen und einem kleinen, vollen Mund. Sie trug einen weiÃen Faltenrock und einen weiÃen Angorapullover mit Perlenkette, an der sie beinahe unablässig spielte, während sie mit Ellen sprach. Die auffallend kurzen Fingernägel, von rissiger, stark geröteter Haut umgeben, standen in hässlichem Gegensatz zu ihrer gepflegten Erscheinung.
»Hatten Sie es weit, Miss Kingsley?«, erkundigte sie sich.
»Keine halbe Stunde mit dem Rad. Ich wohne in Copfield.«
»Sie sind mit dem Fahrrad gekommen?« Mrs. Pharoah riss die Augen auf. »Bei diesem Wetter?«
»Das macht mir nichts aus, ich bin es gewöhnt. Ich fahre jeden Tag mit dem Rad zur Arbeit.«
Mrs. Pharoas kalter Blick hatte sich während des kurzen Gesprächs nicht erwärmt.
»Einen Gin Tonic?«, fragte sie. »Heather bringt Ihnen gleich einen. Kommen Sie, ich mache Sie mit den Dorringtons bekannt. Margaret Dorrington ist eine leidenschaftliche Sportlerin. Ich könnte mir vorstellen, dass Sie beide viel gemeinsam haben.«
Ellen unterhielt sich mit den Dorringtons â er war Allgemeinarzt, sie spielte Tennis in einem Klub in Cambridge â, als Marcus Pharoah zu ihnen trat.
»Vielen Dank für die Einladung, Dr. Pharoah«, sagte sie, nachdem er sie begrüÃt hatte.
»Marcus.« Er lächelte. »Nennen Sie mich doch Marcus.«
»Oh, Marcus«, rief ein hochgewachsener grauhaariger Mann, der Pharoah eben erst entdeckt zu haben schien, »wo hattest du dich denn versteckt? Wie war es in Chinon?«
»Verregnet«, antwortete Pharoah. »Ich habe gerade Devlin im Keller meine Neuerwerbungen gezeigt.« Er wandte sich wieder den Dorringtons zu. »Jimmy, Margaret, schön, dass ihr da seid. Kennt ihr Miss Kingsley?«
»Wir haben gerade über Tennis gesprochen«, sagte Margaret Dorrington.
»Spielen Sie auch, Ellen?«, erkundigte sich Pharoah.
»Mehr schlecht als recht.«
»Sie müssen im Sommer herkommen und bei uns spielen. Unser Platz wird viel zu selten benutzt. Ich habe keine Zeit und Alison keine besondere Lust.«
Sosehr Alison Pharoahs bleiche Kälte abschreckte, so erwärmend war Marcus Pharoahs liebenswürdiger Charme. Ellen bedankte sich.
Margaret Dorrington sagte: »Ich habe den Eindruck, eure Rowena entwickelt sich zu einer erstklassigen kleinen Spielerin.«
Pharoah lächelte. »Ja, es scheint so.«
»Du solltest ihr einen Trainer besorgen. Das ist in ihrem Alter ganz entscheidend.«
Wieder trat ein Mann zu ihrer kleinen Gruppe, den Ellen nicht kannte. Die spitz gewölbten schwarzen Augenbrauen und die tiefen Kerben zu beiden Seiten des Munds verliehen seinem Gesicht einen zynischen Ausdruck.
»Zum Lamm den Côtes Hermitage, würde ich sagen.«
»Nicht den Claret?«
»Nein, der ist zu jung. Nimm den Côtes.« Der dunkle, spöttische Blick umfasste Ellen. »Oh, hallo. Wer ist denn das, Marcus?«
»Das ist Ellen Kingsley. Sie ist eine Mitarbeiterin, eine sehr kluge und vielversprechende junge Dame, die vor Kurzem zu uns gestoÃen ist. Ellen, darf ich Ihnen meinen Bruder Devlin vorstellen?«
Sie tauschten einen Händedruck. »Ah, eins von Marcusâ jungen wissenschaftlichen Genies«, bemerkte Devlin Pharoah.
»Na ja, so würde ich nicht sagen.« Ellen konnte eine gewisse Ãhnlichkeit zwischen den Brüdern erkennen, bei Devlin allerdings hatte der Pharoahâsche Charme einen leicht verlebten Zug. »Dr. Pharoah
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