An einem Tag im Winter
sie wegschaute, begann das Tuscheln von Neuem. Als nach dem Essen Obst gebracht wurde, schnippte Rufus Orangenkerne gegen die Weingläser, bis sein Vater ärgerlich sagte: »Das reicht jetzt aber wirklich, Junge.«
In Wolken von Zigarettenrauch und mit geräuschvollem Stuhlrücken endete das Mittagessen. Die Gäste verteilten sich in Grüppchen in den verschiedenen Räumen. Frauen sprachen von missratenen Kindern und schwierigen Geburten, einige der Männer rekelten sich in tiefen Sesseln und erzählten sich unter schallendem Gelächter Witze. Die Dorringtons saÃen schweigend abseits, keiner Gruppe zugehörig. Wahrscheinlich Lückenfüller wie sie, dachte Ellen.
Sie machte sich auf die Suche nach der Toilette. Ausgaben vom Punch lagen auf einem kleinen Korbtisch, daneben stand eine Flasche Blue-Grass-Handpflegemilch. Prüfend musterte sie ihr Gesicht im Spiegel und fuhr sich mit dem Kamm durch die Haare. Versuchsweise schob sie sie hoch, sodass sie sich, ähnlich wie bei Alison Pharoah, um ihr Gesicht bauschten, dann lieà sie sie wieder auf ihre Schultern herabfallen. Bevor sie die Toilette verlieÃ, bückte sie sich und rieb über den Bluterguss, den der Zusammenstoà mit dem Löscheimer an ihrem Schienbein hinterlassen hatte.
Auf dem Rückweg in den Salon warf sie einen Blick durch eine offene Tür und bemerkte Marcus Pharoah. Er winkte ihr zu. »Kommen Sie herein, Ellen, und sehen Sie sich das an.«
Sie trat ins Zimmer. Er zeigte auf eine Fotografie. »Das wurde im Krieg aufgenommen«, sagte er. »Sie können die Umzäunungen und den Stacheldraht erkennen.«
Auf dem Bild sah Gildersleve Hall grau und schäbig aus, der breite Baumgürtel, der das Haus umgab, verdeckte den Horizont. Der Efeu, der jetzt nur noch den Turm umrankte, hatte sich wie eine Seuche über das ganze Gebäude ausgebreitet.
»Wir haben damals jeden Tag zwölf Stunden gearbeitet«, erzählte Pharoah. »Unglaublich anstrengend, aber mir hat es nie etwas ausgemacht. Tja, wir waren eben jung. Und das hier â« er zeigte ihr ein anderes Foto â »habe ich an dem Tag aufgenommen, an dem ich wusste, dass das Haus mir gehört. Es hatte ein Jahr lang leer gestanden und war in ziemlich desolatem Zustand, aber unsere ersten Wissenschaftler sind drei Monate später eingezogen. Viele der Arbeiten habe ich selbst gemacht.« Er lachte. »Ich weià noch, wie ich auf dem Dach herumgeklettert bin, um ein paar Schindeln auszutauschen. Wenn ich abgerutscht wäre, hätte das das Aus für Gildersleve Hall bedeutet.«
Von drauÃen waren Schritte zu hören, dann kam Devlin Pharoah herein. »Ich dachte, du könntest mir vielleicht schnell diese Unterlagen raussuchen, Marc. Ich störe doch hoffentlich nicht?«
Seine Worte hatten einen Unterton, der Ellen nicht behagte. Sie entschuldigte sich und lieà die beiden Männer allein. Im Speisezimmer standen noch Geschirr und Gläser auf dem fleckigen Tischtuch. Nur Rowena und Rufus waren noch da, tuschelnd und kichernd hockten sie auf dem breiten Fensterbrett. Rufus, fand Ellen, sah schon jetzt so verdorben aus wie sein Vater. Aber natürlich war das Unsinn, er war ja noch ein Kind. Er packte das Mädchen bei den Zöpfen und zog fest daran. »Aua, Rufe, hör auf!«, rief Rowena, doch er zog nur noch fester, bis ihre Gesichter nicht mehr als eine Handbreit voneinander entfernt waren. Diesmal brach Rowena in schrilles Gelächter aus.
»WeiÃt du, wo deine Mutter ist, Rowena?«, fragte Ellen, und die beiden fuhren auseinander.
Rowena zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung.«
Am Ende des Korridors entdeckte Ellen ein kleines Zimmer in Rosa und Grün. Im Sommer war es sicher gemütlich mit den weiÃen Möbeln und den Regalen voller Taschenbücher und Brettspiele, jetzt aber, Ende Oktober, erschien es kalt und wenig einladend. In einem kleinen Wintergarten hinter einer Glastür konnte Ellen brusthohe schmale Tische erkennen, auf denen Töpfe mit Orchideen standen. Ihre Blütenblätter waren rosa, grün und gelb, gefleckt und gesprenkelt, gedreht und samtig, manche lang und gebogen wie Zungen.
Dort drinnen stand Alison Pharoah. Sie schaute zum Fenster hinaus und rauchte eine Zigarette. Ellen wollte gerade anbieten, beim Aufräumen zu helfen, als sie bemerkte, dass Mrs. Pharoah weinte, stumm, als bemerkte sie ihre Tränen kaum. Wenn
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