Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
An einem Tag im Winter

An einem Tag im Winter

Titel: An einem Tag im Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
Vom Netzwerk:
verließen, glänzte Reif auf der Straße. Martin kratzte ein Stück Windschutzscheibe blank, dann fuhren sie aus dem Dorf hinaus, Ellen, in ihren Mantel und ein angenehmes Gefühl der Distanziertheit gehüllt, als wäre vieles, was sich an diesem Tag ereignet hatte, einer anderen passiert, die mit ihr nichts zu tun hatte.
    Vor Mrs. Bryants Bungalow hielt Martin an. »Ellen«, sagte er.
    Â»Ja, Martin?«
    Â»Ich mag Sie sehr.«
    Â»Ich Sie auch.«
    Â»Ist Ihnen kalt?«
    Â»Ein bisschen.«
    Â»Kommen Sie.« Er beugte sich zu ihr und legte den Arm um sie. Und dann begann er plötzlich, sie zu küssen, während seine Hand von ihrer Schulter ihren Arm hinunter und unter ihren Mantel glitt.
    Hören Sie auf, Martin!, wollte sie rufen, aber sein Mund, der so fest und feucht auf ihrem klebte, dass sie kaum Luft bekam, ließ es nicht zu. Schließlich gab sie ihm kurzerhand einen Schubs. Dann noch einen, mit solchem Nachdruck diesmal, dass er verblüfft zurückfuhr und sie endlich hervorstoßen konnte: »Hören Sie auf, Martin!«
    Â»Aber ich dachte –«
    Â»Was?«
    Â»Sie sind so schön. Sie müssen doch gemerkt haben, was ich für Sie empfinde.«
    Â»Mensch, Martin, jetzt werden Sie nicht albern.«
    Â»Albern?« Er war sichtlich gekränkt.
    Â»Genau«, sagte sie, verärgert darüber, dass er ihr den Abend verdorben hatte. Sie öffnete die Wagentür. »Sie haben zu viel getrunken. Ich gehe jetzt rein. Wir sehen uns nächste Woche.«
    Auf ihrem Schreibtisch lag ein Brief, als sie am Montagmorgen ins Labor kam. Sie riss den Umschlag auf und las. Es war eine Einladung von Dr. Pharoah zum Mittagessen am kommenden Sonntag in seinem Haus in Barton.
    Sie hatte gehofft, Martin hätte das peinliche Gerangel im Auto vergessen, aber als sie in der Mittagspause in den Aufenthaltsraum kam, stand er über die Teile des Anlassers seines Austin gebeugt, die er auf einem Blatt Zeitung ausgebreitet hatte, und murmelte etwas vor sich hin. Er hob nicht mal den Kopf, um sie zu begrüßen. Den Rest des Tages ging sie ihm aus dem Weg, in der Hoffnung, dass er sich mit der Zeit beruhigen und ihr verzeihen würde.
    Am Freitagnachmittag arbeitete Ellen länger. Andrée ging um halb sechs. Die Zeit verflog, und das Brummen des Staubsaugers verriet, dass Mary, die Putzfrau, ihre Arbeit aufgenommen hatte. Es war still im Haus, vermutlich, dachte Ellen, waren sie und Mary die Einzigen, die noch hier waren.
    Sie vertiefte sich wieder in ihre Arbeit, und als sie endlich ihr Protokoll geschrieben und ihre Geräte aufgeräumt hatte, war das Brummen des Staubsaugers lang verstummt, der Himmel hinter dem Fenster glänzte tintenschwarz. Sie schaltete das Licht aus, machte die Tür zu und ging in die Kammer, um ihren Mantel zu holen. Sie war noch dabei, ihn zuzuknöpfen, als die Glühbirne an der Decke erlosch. In der Finsternis tastete sie nach dem Lichtschalter, drückte ihn mehrmals, aber es geschah gar nichts. Unsicher nahm sie Aktentasche und Handtasche, suchte den Türknauf und trat hinaus in den schwarzen Korridor.
    Als ihre Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnte sie durch eine halb beschlagene Fensterscheibe Sternenglitzern erkennen. Sie wusste, dass die Treppe nach unten ein Stück weiter vorn im Gang war, und tappte, eine Hand zur Sicherheit an der Wand, behutsam vorwärts, bis sie unversehens mit dem Schienbein gegen etwas Hartes, Kaltes stieß. Erschrocken schrie sie auf. Als sie sich hinunterbeugte, glitten ihre Finger zuerst über Sand und berührten dann den Metallrand des Löscheimers, in dem sie Dr. Redmonds Füller gefunden hatte. Sie rief sich die Ausrichtung des Korridors ins Gedächtnis, der Löscheimer war nur wenige Schritte von der Treppe entfernt. Die rechte Hand ausgestreckt, tastete sie sich vorsichtig durch die Dunkelheit, bis sie endlich auf die gedrechselte Holzkugel am Ende des Treppengeländers stieß.
    Zaghaft stieg sie Stufe um Stufe hinunter, als sie plötzlich ein Geräusch vernahm – ein Trippeln und Huschen wie von Kinderfüßen. Starr vor Schreck blieb sie stehen. Sie konnte nicht ausmachen, woher das Geräusch kam. Ein kleiner Junge soll in dem Haus umgekommen sein , hatte Martin gesagt. Angeblich ist er die Treppe hinuntergefallen, und nun hört man ihn nachts durch die Gänge laufen .
    Das Trippeln war über ihr – oder

Weitere Kostenlose Bücher