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An einem Tag im Winter

An einem Tag im Winter

Titel: An einem Tag im Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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hackte das Holz und erledigte alle anfallenden Reparaturarbeiten am Haus. Er redete nicht viel und schlief und aß im alten Stallgebäude. Er war der Typ Mann, dachte India, der immer am Rand eines Wutanfalls zu stehen schien.
    Wenn sie einen Spaziergang machte, brauchte sie sich nur umzusehen, und schon fiel ihr Blick auf Gosse. Er saß auf der hinteren Veranda und reinigte die Flinte, mit der er Ratten und ähnliches unwillkommenes Getier schoss, oder er war vorn auf dem Vorplatz beim Autowaschen und machte eine Zigarettenpause. Sie hätte den Eindruck gewinnen können, dass er sie gern ansah, hätte sie nicht gewusst, dass er sie verachtete. Man konnte sie natürlich verachten und trotzdem mit ihr ins Bett wollen, so wie Bernie, aber India glaubte nicht, dass das bei Gosse zutraf, in dessen Blick sie nichts als den Arbeitseifer entdecken konnte, mit dem er alle Aufträge von Marcus, vom Reifenwechsel bis zur Mäusejagd, ausführte. Sie fragte sich, ob Marcus Fairlight House seiner einsamen Lage wegen gekauft hatte; immerhin ließ sich die Ehefrau leichter kontrollieren, wenn sie irgendwo mitten in der Wildnis saß.
    Sie wusste es nicht. Oft glaubte sie, der stetig fallende Schnee und die Stille verleiteten sie zum Spintisieren und ihre Angst, dass sie einen Fehler gemacht hatte, sei nur ein Produkt jener anderen Ängste, die sie überfielen, wenn sie nachts aus dem Schlaf fuhr – Angst vor dem Kind, vor Verletzung, vor einem unsagbaren Unglück.
    Würde es sie, wenn erst das Kind geboren war, weniger belasten, dass sie ihren Mann nicht mehr mochte? Die Frage beschäftigte sie jeden Tag.
    Die Wehen setzten eine Woche zu früh ein. Marcus fuhr sie in die Klinik in Midhurst, einen neugotischen roten Backsteinbau inmitten samtiger grüner Rasenflächen. Später erinnerte sich India vor allem der nickenden Narzissen in den Beeten zu beiden Seiten der Einfahrt, des Geruchs der gewachsten Korridore und der drückenden Angst, die sich in der Klinik über sie legte. Schulen, Waisenhäuser, Krankenhäuser; damit konnte sie einfach nicht umgehen. Doch an Abigails Geburt konnte sie sich überhaupt nicht erinnern, auch nicht an ihren ersten Schrei. Dr. Fisher erklärte ihr, dass sie eine Narkose bekommen hatte, trotzdem konnte sie sich nicht verzeihen, dass sie die ersten Lebensminuten ihrer Tochter verpasst hatte.
    Im Fieber und vom Blutverlust geschwächt, träumte India in den ersten Tagen nach der Entbindung von Ungeheuern mit hervorquellenden Augen und weit aufgerissenen Mäulern und von Gärten mit Feldern voll grellbunter Blumen, die sich in weite Ferne dehnten. Als das Fieber fiel, blieb eine tiefe Erschöpfung. Nach jedem Gang ins Bad oder ins Kinderzimmer musste sie sich hinlegen; wenn sie zu lange auf den Beinen blieb, überkamen sie Schwindel und Wellen von Hitze und Kälte.
    Es gab Tage, da hatte sie das Gefühl, unter Wasser zu treiben. Hin und wieder stieß es sie an die Oberfläche, und eine der Schwestern legte ihr Abigail in den Arm. Dann sah sie das Kind an, sah seine Vollkommenheit und wurde abwechselnd von tiefer Liebe und einer namenlosen Angst überwältigt. Einer Angst, sie könnte der Verantwortung nicht gewachsen sein, der Angst, sie würde Abigail fallen lassen, wenn sie sie badete, oder sie beim Wickeln mit der Sicherheitsnadel stechen. Viel schlimmer aber war die Angst, dass sie als Mutter genauso unzulänglich sein würde wie ihre eigene Mutter, dass sie es verpfuschen würde wie sie alles verpfuscht hatte, was sie bisher in ihrem Leben angefangen hatte.
    Aber die Liebe war eine Offenbarung, unmittelbar und unabweisbar, und als India nach vierzehn Tagen die Klinik verließ, hatte die Liebe sie neu erschaffen, in einem von schmerzhaften Wehen begleiteten Prozess, nach dem ihr Herz und ihre Seele so wund und bloß waren wie ihr Körper nach der Geburt ihres Kindes.
    Das Kind weinte. Indias Lider zuckten, sie öffnete die Augen und zog sich auf dem Sofa hoch. Das Kindermädchen, das Marcus für die ersten sechs Wochen engagiert hatte, stand wahrscheinlich im Garten und rauchte oder scharwenzelte um Gosse herum. Marcus war nicht zu Hause, da glaubte die gute Miss Forrest wohl, sie könne sich das erlauben. India war froh, Abigail für sich allein zu haben, aber sie hätte Miss Forrest gleich sagen können, dass alle koketten Augenaufschläge sie nicht weiterbringen würden.
    Abigal

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