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An einem Tag im Winter

An einem Tag im Winter

Titel: An einem Tag im Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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strampelte. Ihre spitzen kleinen Schreie klangen wie die eines Kätzchens. India ging in die Küche, setzte einen Topf mit Wasser auf, nahm eine Flasche mit Säuglingsmilch aus dem Kühlschrank und stellte sie zum Anwärmen in den Wassertopf. Abigails Schreie wurden temperamentvoller. Von Hitzewellen und Schwäche überkommen, lehnte sich India an den Herd und schloss die Augen. Es ging ihr jetzt viel besser, manchmal beinahe gut, und sie war am Morgen einmal um den See gegangen, wenn auch mit vielen Verschnaufpausen, aber die lähmende Erschöpfung, dieses Gefühl, sie müsste sich durch klebrige Schichten von Spinnweben kämpfen, war immer noch da.
    Nach einer kurzen Weile öffnete sie die Augen wieder, nahm die Flasche mit einem gefalteten Geschirrtuch aus dem Topf und spritzte ein paar Tropfen Milch auf ihren Handrücken, um die Temperatur zu prüfen. Dann ging sie zurück ins Wohnzimmger, hob Abigail aus dem Korbwagen und setzte sich aufs Sofa. Abigail schloss den Mund fest um den Sauger und begann zu trinken. Dann zappelte sie plötzlich heftig mit beiden Beinen und stieß mit einem kurzen hohen Aufschrei die Flasche weg. India streichelte ihr Köpfchen mit dem flaumigen hellen Haar, und sie begann wieder zu saugen.
    Durch das Fenster hörte sie murmelnde Stimmen, die von Miss Forrest und Gosse. India schaute auf die Uhr. Es war fast drei. Es war so leicht, alles Zeitgefühl zu verlieren, die Augen zu schließen und die Teile des Tages – Morgen, Nachmittag, Abend – ineinanderfließen zu lassen. Auch jetzt verblassten die Stimmen, als wäre die Farbe aus ihnen herausgewaschen, und als sie sich zwang, die Augen zu öffnen, war die Flasche fast leer, und sie griff sich mit der Hand an die Stirn, um zu prüfen, ob sie wieder Fieber hatte.
    Sie döste auf dem Sofa vor sich hin, als es draußen läutete. Benommen stand sie auf und ging hinaus, um zu öffnen.
    Die Frau vor der Tür fragte: »Mrs. Pharoah?«
    Â»Ja?«
    Â»Mein Name ist Hester Devereux. Wir kennen uns noch nicht.«
    Hester Devereux trug einen rostroten Mantel, der an den Ellbogen geflickt war, dazu einen cremefarbenen Wollschal. Das glatte dunkle Haar, vom Wind zerzaust, war von erstem Grau durchzogen, und um die Winkel der stahlgrauen Augen zeigten sich kleine Fältchen.
    Â»Bitte verzeihen Sie die Störung«, fuhr Hester Devereux fort. »Ich war vor vielen Jahren mit Ihrem Mann bekannt und wollte fragen, ob ich Sie sprechen kann.«
    Â»Mein Mann ist leider nicht hier.«
    Â»Ja, ich weiß. Aber ich wollte mit Ihnen sprechen, Mrs. Pharoah.«
    India warf unwillkürlich einen Blick über ihre Schulter. Es war ein schöner, sonniger Tag. Gosse strich draußen die hintere Veranda.
    Â»Wenn Sie eine Freundin von Marcus sind …«, sagte India zögernd.
    Â»Nein, das bin ich nicht. Ich war mit Rosanne befreundet.«
    India brauchte ein paar Sekunden, um den Namen einzuordnen. »Ach so«, sagte sie dann, »mit Marcus’ erster Frau.«
    Â»Ja.«
    India bat Hester Devereux herein. In der Garderobe legte diese ihren Mantel ab und zog die Stiefel aus. Vorn im Haus gab es ein Wohnzimmer mit einem Klavier und Bücherregalen, in sicherem Abstand von der Veranda und Gosse. India bat ihren Gast, Platz zu nehmen.
    Â»Darf ich Ihnen vielleicht eine Tasse Kaffee anbieten, Mrs. Devereux?«
    Â»Nein, vielen Dank. Das ist sehr freundlich, aber ich werde Sie nicht lange aufhalten.«
    Â»Wenn Sie mich einen Moment entschuldigen würden, ich will nur nach meiner Kleinen sehen.«
    India lief nach oben ins Kinderzimmer. Abigail schlief, die Arme hochgeworfen, die kleinen Hände zu Fäusten geballt. Im Bad spritzte sich India kaltes Wasser ins Gesicht, bevor sie wieder hinunterging.
    Sie schloss die Tür hinter sich. »Wie alt ist Ihre Kleine, Mrs. Pharoah?«, fragte Hester Devereux.
    Â»Abigail ist knapp zwei Monate alt.«
    Â»Wie schön.« Hester Devereux’ Stimme war klangslos. »Meinen Glückwunsch.«
    Â»Danke.«
    Â»Sie sind Engländerin, richtig? Sind Sie schon lange verheiratet?«
    Â»Anderthalb Jahre.«
    Â»Und Sie sind glücklich?« Hester Devereux beugte sich in ihrem Sessel vor.
    India hörte den Zweifel in ihrer Stimme. »Sie sagen, dass Sie Rosanne gekannt haben. Wie war sie?«
    Hester Devereux’ Gesicht entspannte sich. »Sie war hinreißend.

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