An einem Tag wie diesem
Champagners in eine Tasse. Als er die Flasche in den Müll warf, sah er zuoberst im Eimer die Verpackungen von chinesischem Take-away-Essen. In einer kleinen Kartonschachtel, in der noch ein Rest eingetrockneter Reis war, lag ein benutztes Kondom.
Auch das Wohnzimmer war unordentlich. Bücher, Zeitschriften und Kleidungsstücke lagen auf dem Boden. Auf dem Sofa stand ein voller Aschenbecher, der auf den Boden fiel, als Andreas sich setzte. Er stand wieder auf und trat in den Flur.
Nach einer Weile kam Nadja aus dem Bad. Sie trug einen offenen Morgenmantel und darunter ein dünnes Nachthemd. Sie hatte sich geschminkt und frisiert.
»Ein unverhoffter Gast«, sagte sie und lächelte halb unsicher, halb gekränkt. Sie schien sich noch nicht entschieden zu haben, wie sie auf seinen Besuch reagieren sollte.
»Ich hätte anrufen sollen«, sagte Andreas. »Ich wusste nicht, dass heute ein Anderer an der Reihe ist.«
»Ich hatte Besuch. Eine alte Freundin.«
Andreas sagte, er sei nicht gekommen, um sie zu kontrollieren. Es sei ihm egal, mit wem sie schlafe. Er habe den Abend ja auch mit jemand anderem verbracht. Nadja sagte, das interessiere sie nicht. Sie sagte, sie habe genug von ihm. Er benutze sie wie eine Prostituierte. Sie wolle ihn nicht mehr sehen.
»Ich wollte mich von dir verabschieden«, sagte Andreas.
Nadja sagte, er solle nicht so empfindlich tun. Es habe nichts mit ihr zu tun, sagte Andreas, er verlasse
Paris. Nadja seufzte und sagte, wenn er es wissen wolle, ihr Ex sei hier gewesen.
»Dein schrecklicher Exmann«, sagte Andreas. »Du hast ihn die ganze Zeit gesehen, nicht wahr?«
Das gehe ihn nichts an, sagte Nadja. Warum auch nicht. Sie seien beide frei, er und sie. Sie und ihr Mann verstünden sich jetzt besser als vor der Trennung.
»Bei wem wirst du dich in Zukunft über ihn beklagen?«, fragte Andreas. »Aber du findest bestimmt bald einen Anderen. Ich habe einen Freund. Ich kann dir seine Telefonnummer geben.«
»Du bist ein Schwein«, sagte Nadja mit vollkommen kalter Stimme.
»Ich werde dich vermissen«, sagte Andreas. »Man kann so schön allein sein mit dir.«
»Du bist allein, egal, mit wem du zusammen bist«, sagte Nadja.
Am nächsten Tag stand Andreas früh auf. Die Fenster hatten die ganze Nacht über offen gestanden, und in der Wohnung war es kühl. Er hatte einen heftigen Hustenanfall. Er schämte sich ein wenig dafür, wie er Nadja und Delphine behandelt hatte. Er war selbst erstaunt gewesen über seine Boshaftigkeit. Aber was geschehen war, war geschehen. Sie würden es verkraften. Wenigstens würden sie ihn nicht vermissen.
Nach dem Frühstück schrieb er einen Brief an die Schulbehörde, in dem er seine Stelle kündigte. Er war nicht sicher, wie lange die Kündigungsfrist war, aber es war ihm egal. Wenn ich nicht mehr da bin, bin ich nicht mehr da, dachte er. Dann ging er zum Immobilienhändler,
über den er vor zehn Jahren die Wohnung gekauft hatte. Der Immobilienhändler konnte sich an die Wohnung erinnern oder tat zumindest so. Er sagte, Andreas werde wohl das Doppelte von dem kriegen, was er seinerzeit bezahlt habe. Allerdings sei es schwierig, mitten im Sommer eine Wohnung zu verkaufen. Andreas sagte, der Preis sei Nebensache. Hauptsache, die Wohnung sei schnell weg. Er fahre für ein paar Tage in die Bretagne. Der Immobilienhändler ließ ihn ein Formular ausfüllen und unterschreiben und sagte, er werde sein Bestes tun. Andreas gab ihm einen Schlüssel.
Am Mittag rief er bei Sylvie zu Hause an. Ihr Mann war am Apparat. Andreas bat ihn, seiner Frau auszurichten, er habe heute Nachmittag keine Zeit. Überhaupt könne er sich nicht mehr mit ihr treffen.
»Wer ist am Apparat?«, fragte Sylvies Mann.
»Ihr Friseur bin ich nicht«, sagte Andreas und hängte auf.
Am Nachmittag klingelte sein Mobiltelefon. Als er sah, dass es Sylvies Nummer war, nahm er nicht ab. Sie hinterließ ihm eine Nachricht, fragte, ob er verrückt sei. Er wisse doch, dass er sie nicht zu Hause anrufen dürfe. Sie habe eine halbe Stunde gebraucht, um ihren Mann zu beruhigen. Und was das bedeute, er habe keine Zeit mehr für sie? Ihre Stimme klang eher belustigt als ärgerlich. Sie ist eine tolle Frau, dachte Andreas, sie wird einen Anderen finden für ihre Nachmittage.
Die Fahrt in die Bretagne war eine Qual. Der Zug war bis zum letzten Platz besetzt. Es gab keine Raucherabteile, und nur in Rennes war der Aufenthalt lang
genug, um auszusteigen und eine Zigarette zu rauchen. Der Bahnsteig war
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