Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
An Paris hat niemand gedacht

An Paris hat niemand gedacht

Titel: An Paris hat niemand gedacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Peters
Vom Netzwerk:
weitere Strecke vor ihnen lag als die knapp vierhundertfünfzig Kilometer bis Frankenberg und dass auch diese Vorstellung nicht traf. Für das, was gerade geschah, gab es keine Vergleiche, keine Bilder, keine Kriterien, keine Vorlagen. Womöglich existierte auch die weitere Wegstrecke nicht. Man konnte die Situation nur als das nehmen, was sie war: Zwei Frauen im Auto, unterwegs von hier nach da, die eine fährt, die andere schaltet das Radio ein. Was nachher sein könnte, entzog sich jeder Vorhersage, jetzt saßen sie hier. Marta scheute vor einer vermeintlichen Geste der Vertrautheit zurück wie eine halbwilde Katze, das war in Ordnung. Schließlich hatten sie noch mehrere Stunden in der Enge eines Wageninneren zu verbringen, da konnte sich einiges ereignen.

    »Marta. Wir sollten miteinander reden.«
    »Wir sprechen doch.«
    »Du weißt, was ich meine.«
    Marta schüttelte unwillig den Pferdeschwanz von einer auf die andere Schulter, gab ein Geräusch von sich, das sich wie ein lang gezogenes reizbares »F« anhörte.
    »Du willst dich mit mir aussprechen, ja? Gut. Ich fang an: erste Frage: Warum hast du mich damals nicht abgesetzt, als ich dich darum gebeten habe?«
    Greta wollte zu einer Antwort ansetzen, doch Marta fiel ihr in den Atemzug.
    »Wäre es nicht genug gewesen, dass du zugesehen hast, wie er mich zusammenschlagen und abtransportieren ließ, als wäre ich ein Stück Vieh? Hätte das nicht gereicht? Hättest du mich danach nicht einfach an irgendeinem verdammten Bahnhof oder einer Telefonzelle absetzen und in Ruhe lassen können? Wenigstens das?«
    Eine Ohrfeige wäre Greta lieber gewesen. Das Gelände, auf dem sie beide sich sicher würden bewegen können, gab es nicht. Nichts würde jemals gut sein. Im Rückblick hatten sie nicht die allergeringste Chance, dachte sie, nie gehabt.
    »Ich wollte dich beschützen. Wenn ich nicht dabei gewesen wäre, hätte er dich womöglich totgeschlagen. Er hatte gesagt, er würde versuchen, dir nicht wehzutun. Deshalb bin ich mitgekommen. Es war falsch, heute weiß ich das, aber meine Angst vor ihm … Ich konnte nicht anders, ich musste ihm gehorchen, sonst hätte er mich vernichtet und dich auch. Damals habe ich das geglaubt.«
    »Aber danach, im Auto, da waren wir allein, er war nicht da, um dir oder mir etwas anzutun. Du warst nicht gezwungen, mich in dieses Internat zu bringen.«

    »Doch. Ich musste wieder zurück zu ihm. Außerdem dachte ich, dort würdest du in Sicherheit sein.«
    Ein verächtliches Schnauben Martas ließ Greta zusammenzucken. »Sicherheit«, fauchte sie, »unglaublich!«
    »Er hatte mir versprochen, dich fortan in Ruhe zu lassen. Er hätte allen erzählen können, seine Tochter besuche eine Eliteschule, und wäre mit dieser Lösung zufrieden gewesen, er hätte seine schwachsinnige Ehre wiederhergestellt. Ich konnte dich nur schützen, indem ich dafür gesorgt habe, dass du weit weg von uns kamst und indem ich bei ihm geblieben bin. Ich hatte keine Wahl.«
    »Du hattest keine Wahl? Und später, als du ihn verlassen hast, da hattest du dann plötzlich eine?«
    »Da hatte ich auch keine Wahl, aber das war etwas anderes. Als ich ihn verlassen konnte, warst du schon zu lange weg, war alles zu spät für dich und mich, da konnte ich nur noch mich selbst retten. Du ahnst nicht, gar nicht, wie leid …«
    »Kein Melodrama bitte!«
    »Entschuldige.«
    »Hör auf, dich zu entschuldigen.«
    »Ja, was soll ich denn machen!« Der Schrei kam so laut aus einer Schicht weit unterhalb von Gretas Kehle, dass der Wagen unter Martas Händen zu schlingern begann. »Was auch immer ich dazu sage, kann nur falsch sein. Ich weiß, dass ich versagt habe. Entschuldigungen willst du nicht, ok, sie würden auch nichts ungeschehen machen. Aber hast du nur einmal darüber nachgedacht, wie es für mich war? Nichts weißt du! Das Leben mit diesem Mann, die Sache mit dir, alles! Du hast dich davongemacht, warst mich endlich los, wie du es dir immer gewünscht hast und …« Ein Schluchzen drängte sich hoch; beim Versuch, es hinunterzuwürgen, kroch ein hässlich röchelnder Laut aus Gretas Mund.

    Marta schüttelte den Kopf.
    »Es war dein Vorschlag, dass wir reden. Du hast nicht ernsthaft erwartet, dass ich deine Sicht auf die Dinge einnehme?«
    Sie drosselte die Geschwindigkeit, reihte sich auf der rechten Spur hinter einem Kombi ein und atmete tief durch.
    Greta starrte aus dem Beifahrerfenster, sah eine malerische Flusslandschaft vorbeiziehen, Wiesen, durchsetzt mit

Weitere Kostenlose Bücher