Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
An Paris hat niemand gedacht

An Paris hat niemand gedacht

Titel: An Paris hat niemand gedacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Peters
Vom Netzwerk:
unerträglich, selbst das Ticken des Blinkers schlug fast schmerzlich in den Ohren an. Ein Opel hupte hinter ihnen, als sie im letzten Moment eine Abbiegung nahmen, und Marta war erleichtert, dass Greta auf die Frage »Wie ist es dir ergangen?« oder ähnliche Forderungen verzichtete.
    Eine Sortiermaschine bräuchte man, dachte Marta, die Sachinformationen wohl geordnet in gut lesbarem Format in den Eingangskorb legt. Dort nimmt man sie heraus, studiert sie gründlich und trifft nüchtern die richtige Entscheidung.
    Aber wer sagt, dass etwas entschieden werden muss? Ich kann sie mögen, kann es lassen, gegebenenfalls abwechselnd.
    Kurz vor Frankenberg bemerkte Greta, sie habe »übrigens« sämtliche Romane von Raphaela Buchheim gelesen, vor allem der letzte habe ihr gut gefallen, soweit man das von einem dermaßen traurigen Buch sagen dürfe.
    Marta erwiderte: »Ich hab’s nicht gelesen.«
    »Ach! Da ist eine schöne und liebevolle Widmung …«
    »Wir sind bald da«, unterbrach Marta und fragte sich, weshalb sie das Gespräch nicht auf Raphaela kommen lassen wollte. Später vielleicht. Greta schien zunächst verstanden zu haben und schwieg, bis der Wagen an der Friedhofsmauer geparkt war.

    »Hat Frau Buchheim dir damals eigentlich ausgerichtet, dass ich versucht hatte, mit dir Kontakt aufzunehmen?«
    Marta stieg aus, beugte sich nochmals ins Wageninnere: »Ich war noch nicht so weit.«
    Greta nickte und schwang ihre Beine aus dem Wagen.

    Ein schabendes Geräusch, dann Rumpeln; mehrfaches Ächzen und ein dumpfer Aufschlag.
    »Er ist drin«, flüstert Greta.
    Zwischen Schultern wird die Sicht auf das Grab frei. Aus der Grube schauen vier Seilenden heraus, von denen zwei surrend verschwinden, an der anderen Seite wieder auftauchen und in den kräftigen Händen der Sargträger zu dicken Schlangen gewickelt werden.
    Das also ist das Loch, in dem mein Vater begraben wird, denkt Marta und stellt die Abwesenheit eines wie auch immer gearteten Gefühls fest. Greta neben ihr versteift sich zunehmend, tastet nach etwas in ihrer Handtasche, fasst, nachdem sie nichts zum Festhalten gefunden hat, nach dem Schulterriemen. In dem Spalt zwischen Brillenglas und Wange meint Marta ein Zucken auszumachen.
    »Greta, weinst du?«
    »Quatsch! Ich bin nur erleichtert und wütend und …« Sie schiebt den Zeigefinger unter den Rand ihrer Sonnenbrille, »du bist hier.« Beinahe hätte Marta ihr die Hand auf den Arm gelegt.
    Der Pfarrer tritt ins Blickfeld, spricht einige Worte, deren Bedeutung bei Marta nicht ankommt.
    Schräg hinter ihm stehen zwei junge Frauen. Eine von ihnen, die Größere, hält unverwandt ihren Blick auf Marta gerichtet, die andere vermutet hinter den dunklen Brillengläsern der Frau
auf der anderen Seite nicht ihre Schwester und schaut verträumt über die Trauergemeinde hinweg. Sophia und Kati. Sie sind auch hier. Natürlich.
    Eine blonde Locke löst sich, steht kurz waagerecht in der Luft und fällt sanft auf Sophias Schulter zurück. Sie hebt leicht den Kopf, ihre Mundwinkel zeigen ein erkennendes Lächeln. Sollte sie überrascht sein, ihre verschollene Schwester hier vorzufinden, so weiß sie es gut zu verbergen. Marta widersteht dem Impuls, sich an Trauergästen, Pfarrer und Grube vorbeizukämpfen, und hebt langsam die Hand. Sophia erwidert den Gruß, wendet sich dann ihrer Nachbarin zu, die sich kurz darauf ruckartig in Martas Richtung dreht, zwischen ihr und Greta hin und her schaut und heftig den Kopf schüttelt. Kati ist offensichtlich schockiert.
    Gretas kleiner Liebling, denkt Marta und bemerkt, dass sie vergessen hat, sich zu erkundigen, ob Greta von ihrem Kontakt zu Kati wusste und was die darüber berichtet hat. Dass Kati von Greta nicht über ihr gestriges Treffen informiert worden ist, liegt jedenfalls auf der Hand.

    »Wenn du mich nicht trägst, sage ich es der Mama, die schimpft dann mit dir!« Die Drohung einer Sechsjährigen.
    »Du bist mir zu schwer, Kati, ich kann nicht mehr.«
    »Ich heule gleich! Dann krieg ich rote Augen, und das ist deine Schuld«, plärrte das Kind, das sich an Martas Hosenbeinen festgeklammert hatte.
    »Lauf bitte ein Stück, mir tut der Rücken weh.«
    »Du lügst! Das sag ich! Ich sage auch, dass wir gar nicht bei der Tante waren!«
    Kati war getragen worden, und Marta hatte das Schweigen des Mädchens mit gestohlenen Bonbons zu kaufen versucht,
um gleich nach ihrer Heimkehr dennoch verraten zu werden: »Marta hat sich mit einem Jungen getroffen! Marta war gemein zu

Weitere Kostenlose Bücher