An und für dich
schnell eine andere Datei öffnen, damit sie nicht sehen konnte, was er schrieb.
»Na ja, ich werde eine bisschen Zeit reinstecken müssen, das stimmt. Es ist nicht mehr lange bis zum Abgabetermin, ich muss mich ziemlich ranhalten. Aber ich werde auch nicht die ganze Zeit arbeiten.«
»Okay.« Ihre Stimme klang leise und brüchig. »Können wir jetzt nach Hause gehen?«
»Komm schon, jetzt lass mich hier nicht so hängen. Freu dich doch für mich. Bitte. Das war immer mein Traum. Das weißt du.
Wir haben doch so oft darüber geredet, bevor die Zwillinge da waren.«
»Ach ja?« Sie hatte auch einmal Träume gehabt. Sie wollte auf einem Hausboot leben. Nach Neuseeland ziehen. Ein Jahr freinehmen und nur mit einem Rucksack auf dem Rücken die Welt erkunden. Als sie jedoch nicht mehr nur ein Paar waren, sondern eine Familie, brauchte sie diese Träume nicht mehr.
Lizzies Lachen zu hören, wenn Conor sie wach kitzelte, ihm zuzusehen, wie er für Luke den Rand von jedem einzelnen Sandwich abschnitt, weil er ihn nicht mochte, wie er sich neben die beiden ins Doppelstockbett quetschte, um ihnen eine Geschichte zu erzählen, und dabei verschiedene Stimmen nachahmte, das war ihr Traum. Sie lebte ihn. Und bis vor ein paar Monaten hatte sie gedacht, dass auch er das tat.
»Jess, wir waren uns doch einig, dass ich ein paar Jahre als Lehrer arbeite, aber irgendwann versuche, mein Geld stattdessen als Schriftsteller zu verdienen.«
»Du willst aufhören, als Lehrer zu arbeiten?« Sie traute ihren Ohren nicht. Die Lehrerstelle sorgte dafür, dass sie die Miete und die meisten Rechnungen bezahlen konnten.
»Na ja, nicht sofort, aber wenn es klappt, könnte ich vielleicht ein paar Stunden weniger arbeiten. Nicht mehr am St. Peter’s. Eher als Vertretungslehrer einspringen und Nachhilfe geben. Dann hätte ich mehr Zeit zu schreiben. Lass uns das alles noch mal in Ruhe besprechen, wenn ich mit dem Buch fertig bin.«
Jess starrte in ihr Glas. Letztes Jahr um diese Zeit hatte es das verdammte Buch noch gar nicht gegeben. Mittlerweile drehte sich ihr gesamtes Leben nur noch darum. Und nach diesem würde das nächste kommen. Und dann noch eins. Und nichts wäre jemals wieder wie früher.
Ein Kellner kam und stellte einen Teller mit Petits Fours auf den Tisch. Ein winziger Marshmallow-Würfel, ein filigraner Brandy Snap, drei Mini-Maracons, ein winzig kleiner Kuchen in Bootform, auf dem eine einzelne Himbeere lag. Jess starrte so lange darauf, bis alles vor ihren Augen zu einer pastellfarbenen Masse verschwamm.
Sie sprach so leise, dass Conor sich vorbeugen musste, um sie zu verstehen.
»Ich freue mich über dein Buch. Wirklich. Aber jedes Mal, wenn du dich an den Schreibtisch setzt, kehrst du mir, Luke und Lizzie den Rücken. Das ist dir wahrscheinlich nicht einmal klar, aber genau das tust du. Und es tut mir leid, aber ich halte das einfach nicht aus. Ich würde dich deshalb um einen Gefallen bitten. Kannst du es woanders fertig schreiben?«
Saffy hatte ihrer Mutter ein Tablett vor die Zimmertür gestellt, bevor sie zur Arbeit gegangen war. Weizenkleie, Joghurt, ein Muffin, eine Thermosflasche grüner Tee und ein Glas Pflaumensaft. Jill würde während der Chemo Gewicht verlieren, deshalb wollte Saffy , dass sie vorher noch ein paar Kilo zunahm. Sie hatte ihr zwei Codeintabletten dagelassen und einen Zettel danebengelegt: »Nimm eine um acht und eine um zwölf. Ich bin um eins wieder da und mach dir Mittagessen. S.«
Als sie die Schlafzimmertür öffnete, waren überall lila Pflaumensaftspritzer, auf dem Bett, dem Teppich, der Tapete, sogar an der Decke. Jill hockte unbequem im Bett, sie war kreidebleich.
»Kevin Costner hat meinen Joghurt gegessen«, sagte sie. »Und dann ist mir der Pflaumensaft runtergefallen. Tut mir leid.«
»Du hast die Schmerztabletten doch nicht auf nüchternen Magen genommen, oder?«
»Ich hab sie gar nicht genommen. Ich hab sie nicht gefunden.«
»Kevin Costner!«, sagten beide wie aus einem Mund.
Saffy ging auf die Knie und sah unter dem Bett nach. Dann hinter dem Kleiderschrank.
»Wir müssen ihn finden und ihm den Magen auspumpen!«, sagte Jill.
»Ich hab um drei ein Meeting, ich habe keine Zeit, einer Katze den Magen auszupumpen«, antwortete Saffy. Sie zog den Schminktisch ein Stück vor. »Das musst du machen.«
»Ich bin viel zu schwach, um ihm den Magen auszupumpen!«
»Tja, dann muss er ihn sich wohl selbst auspumpen.«
Eben hatten sie einander noch wütend angestarrt, im
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