An und für dich
»dann schlaft mal gut« klang, vielleicht hatte er aber auch nur »dann macht’s mal gut« gesagt.
Saffy versuchte sich zu erinnern, wer von ihnen beiden zuletzt gesprochen hatte. Dann redeten sie beide gleichzeitig los. »Du zuerst«, sagte Joe.
»Ich habe überlegt, vielleicht könnten wir irgendwo anhalten und etwas essen.« Sie hatte es nicht besonders eilig, sie hatte ihrer Mutter gesagt, sie müsste lang arbeiten, und ihr etwas vorbereitet.
»Nein.« Joe schüttelte den Kopf. »Ich meine, ich kann nicht. Liams Babysitter kann nur bis um zehn.«
Sofort ruderte sie zurück. Was hatte sie sich auch dabei gedacht? Sie hatte doch gerade erst gesehen, wohin es führte, mit fremden Männern essen zu gehen. »Ich sollte auch besser nach Hause.«
»Sie können aber gern mit zu mir kommen und bei mir Abendbrot essen«, sagte Joe. »Ich kann nur leider wahnsinnig schlecht kochen.«
»So schlimm kann’s nicht sein.«
»Sie können es ja drauf ankommen lassen. Mal sehen, ob Sie was runterkriegen.«
Saffy wartete in der winzigen Küche, während Joe den Babysitter bezahlte. Ein zusammenklappbarer Resopaltisch und zwei Stühle füllten den Raum schon fast aus. Ein Wäscheständer, auf dem mehrere Küchenhandtücher zum Trocknen hingen, nahm den Rest der Küche ein. An einer der kahlen Wände hing ein Kalender von Manchester United, auf dem Fensterbrett stand ein gelbes Plastiksparschwein. Das war alles. Keine Spielzeugberge, keine Bücherstapel, es lagen keine Bälle oder Malbücher herum, keine bunten Kühlschrankmagneten, keine Kindergemälde, auf denen man das angeblich gemalte Pferdchen nicht erkennen konnte.
Neben dem Kühlschrank stand ein Paar Kinderhausschuhe. Die Hausschuhe hatten die Form von Snoopys Hundehütte. Auf dem linken saß noch ein etwas mitgenommener Snoopy, vom rechten war er bereits abgerissen.
»Liam schläft schon tief und fest«, sagte Joe. Er berührte mit dem Kopf fast den Türrahmen. Er sah sie ein wenig verwirrt an, als wäre sie ein Gericht, das er bestellt hatte, von dem er jetzt jedoch nicht genau wusste, wie man es aß. »Möchtest du etwas trinken?«
»Ein Glas Wein wäre schön.«
»So was habe ich leider nicht.« Joe öffnete den Kühlschrank. »Ich trinke keinen Alkohol. Aber wir haben Johannisbeersirup.« Er holte eine Flasche heraus. »Ist von 2008, soll ein guter Jahrgang sein.«
Während Joe Zwiebeln schnitt und Eier schaumig schlug, setzte Saffy Wasser für Kartoffeln auf und deckte den Tisch. Sie bewegten sich in der winzigen Küche umeinander herum, als wäre Kontaktvermeidung eine neue olympische Disziplin. Sie beobachtete ihn aus dem Augenwinkel. Sein Mund war etwas schief, wenn er lächelte. Ihm fielen oft die Haare über die Augen, er musste sie sich ständig aus der Stirn streichen. Er hatte schöne Hände.
»Hast du mal ein Feuerzeug?«, fragte sie.
Joe drehte sich zu ihr herum. »Rauchst du?«
Saffy sah den Ausdruck auf seinem Gesicht und schüttelte den Kopf. Sie hatte ja erst vor ein paar Wochen angefangen, und drei oder vier am Tag zählten nicht wirklich, oder? »Nein. Für die Kerzen.«
Er zündete sie am Gasherd an. Dann schüttete er die Eimasse zusammen mit Gemüsestücken in eine Pfanne.
»Wie bist du zum Fliegen gekommen?« Saffy setzte sich an den Tisch und klebte die Kerzen auf Untertassen.
»Es war ein Hobby.« Joe rührte mit einem Holzlöffel in der Pfanne. »Ich habe eine Ausbildung zum Piloten gemacht, und ein paar von uns haben dann zusammen einen Ballon gekauft. Damals in Chicago.«
»Hast du lange in den Staaten gelebt?«
»Etwa fünfzehn Jahre. Ich bin mit Mitte zwanzig dort hingezogen. Vor zwei Jahren sind Liam und ich dann wieder nach Hause gezogen.«
Saffy wartete darauf, dass er weitersprach, aber er blieb stumm. »Ist deine Ehe in die Brüche gegangen?«
»Kann man so sagen.« Joe stellte das Gas höher und die Eimasse fing an zu brutzeln. »Meine Frau ist gestorben.«
»Wie schrecklich!« Saffy hatte angenommen, sie wären geschieden.
»Shelley ist bei einem Autounfall ums Leben gekommen, der Fahrer war betrunken. Ich war gerade auf einer Zwischenlandung in Paris. Es hat achtzehn Stunden gedauert, bis ich endlich zu Hause bei Liam war. Danach wollte ich keine Flugzeuge mehr fliegen. Um ehrlich zu sein, hat es mir schon seit dem 11. September nicht mehr gefallen. Und so weit weg von meinem Kind zu sein, wenn es mich braucht, hat das Fass zum Überlaufen gebracht. Jetzt streiche ich Häuser und fahre nur noch
Weitere Kostenlose Bücher