An und für dich
Ballons.«
»Tut mir leid«, sagte Saffy.
»Das braucht es nicht.« Joe klang wütend.
Sie biss sich auf die Lippe.
»Scheiße.« Joe drehte sich weg. Seine Augen sahen feucht aus, aber das lag vielleicht auch nur an den Zwiebeln. »Entschuldige. Das war unhöflich von mir.«
Er schlug die Hand vor die Stirn. »Scheiße! Habe ich gerade Scheiße gesagt?«
Saffy hielt drei Finger hoch.
»Drei Mal?« Er legte den Holzlöffel beiseite, kramte in seiner Hosentasche und steckte drei Fünfzig-Cent-Stücke in das Sparschwein auf dem Fensterbrett.
»Das ist ein Schimpf-Schwein. Liams Idee. Seine Freundin Gillian Coulter hat gesagt, ich fluche zu viel. Wenn alles so läuft, wie er sich das vorstellt, ist Gillian Coulter meine zukünftige Schwiegertochter. Deshalb versuche ich, mich zu bessern.«
Das Essen war mit Abstand das schlechteste, was Saffy jemals vorgesetzt worden war. Noch schlimmer als das Nasi Goreng, mit dem sie sich in Kuala Lumpur einmal eine Lebensmittelvergiftung zugezogen hatte, und auch schlimmer als der Nudelsalat mit Thunfisch, den Greg ihr einmal serviert hatte, ohne auf das Haltbarkeitsdatum zu achten.
Es war kein richtiges Omelette, aber auch kein Rührei. Es war schleimig, gummiartig, teilweise roh, teilweise verbrannt. Saffy taufte es heimlich »Rührlette«.
Sie schob das Essen auf ihrem Teller umher und erzählte Joe von der Krebserkrankung ihrer Mutter, von ihrem Vater und dass er sie verlassen hatte, als sie zwei Jahre alt war.
»Das war bestimmt hart.« Joe schob sich einen großen Bissen Rührlette in den Mund. »Schwer für dich und auch schwer für ihn. Sein Kind zu verlassen geht so was von gegen den Instinkt.«
Sie hatte noch nie darüber nachgedacht, dass es auch ihrem Vater schwergefallen sein musste zu gehen. Darauf war sie nie gekommen.
»Hast du jemals versucht, ihn zu finden?«
»Nein. Er hätte mich ja suchen können, wenn er gewollt hätte. Dublin ist nicht groß.« Saffy schob weiter die Stücke auf ihrem Teller hin und her, damit es so aussah, als hätte sie wenigstens ein bisschen davon gegessen.
»Dass er einfach so gegangen ist«, Joe sah ihr in die Augen, »das hat bestimmt deine Beziehung zu Männern beeinflusst.«
»Ach, na ja, ist ja schon lange her.«
»Ich kann mir vorstellen, dass es schwierig ist, jemandem genug zu vertrauen, dass man heiraten und Kinder haben möchte, wenn der eigene Vater so ein Vorbild war.«
»Ich war in einer ernsthaften Beziehung«, sagte Saffy zögernd, »bis vor Kurzem. Aber es hat nicht gehalten.«
Sie schnitt ein Stück Rührlette ab und steckte es sich in den Mund. Es schmeckte wie Schuhsohle.
Irgendwie bekam sie es trotzdem hinunter.
»Du hast keine Kinder?« Er schenkte ihr Johannisbeersirup und Wasser nach.
»Nein. Ich wäre eine schreckliche Mutter. Mit Kind hört das eigene Leben ja schlagartig auf, das habe ich bei meiner Mutter gesehen. Da habe ich keine Lust drauf.«
»Das siehst du falsch.«
Joe schüttelte den Kopf, und die Haare fielen ihm ins Gesicht. Er machte keine Anstalten, sie sich aus der Stirn zu streichen, und Saffy hätte sich am liebsten über den Tisch zu ihm gebeugt und es selbst getan.
»Ein Kind zu haben ist doch nicht das Ende des Lebens, sondern der Anfang eines völlig neuen. Ohne Liam wäre ich nicht wieder hier in Irland. Ich hätte nicht meine kompletten Ersparnisse in ein Grundstück in Wicklow gesteckt und nicht das billigste Haus gemietet, das ich finden konnte, damit ich mir ein eigenes bauen kann. Ich habe das alles getan, damit er mal ein schöneres Leben hat. Und weißt du was? Dadurch ist mein eigenes Leben auch besser geworden.«
»Fragst du dich nie, wo du ohne diese ganze Verantwortung jetzt wärst?«
Joe lachte. »Ich weiß genau, wo ich wäre. Mit einer Gruppe betrunkener Stewardessen in einer Bar in Chicago, und ich würde überlegen, welche ich davon abschleppe.«
Saffy konnte sich das sehr gut vorstellen und mochte die Vorstellung überhaupt nicht.
»Es gibt Dinge«, sagte Joe, »die mit Kind einfach nicht gehen. Körperlich und geistig. Also tut man sie eben nicht. Zum Beispiel hätte es keinen Sinn, mich auf jemanden einzulassen, der Liam nicht genauso liebt oder lieben könnte wie ich. Dadurch kommen neunundneunzig Prozent der weiblichen Bevölkerung gar nicht erst infrage. Das könnte man natürlich als Einschränkung betrachten, aber ich sehe das anders. Was ich dafür von ihm zurückbekomme, ist …«
Er streckte die Arme aus wie ein Angler, der zeigt, wie
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