An und für dich
Bleichschienen und wischte sich mit dem Ärmel den Mund ab. Ihre Zähne schmeckten ekelhaft. »Was willst du?«, fragte sie kühl.
»Danke, dass du dich einfach weggeschlichen hast, ohne mir noch wenigstens kurz ›Hooroo‹ zu sagen oder ›wir sehen uns‹.«
»Ich weiß nicht, was ›Hooroo‹ heißen soll, und es tut mir leid, aber wir werden uns sicher nicht noch einmal sehen. Tschüss.«
Sie hatte das Telefon noch in der Hand, als es schon wieder klingelte.
»Hast du sie eigentlich noch alle?«, fragte sie, bevor er auch nur ein Wort sagen konnte. »Wieso bekommst du es nicht in deinen dämlichen Australier-Schädel, dass ich kein Interesse habe?«
»Saffy?« Es war seine Stimme.
»Greg!«
»Wen hast du denn erwartet?«
»Ach, ich habe, ähm, mit dem Radio geredet. Sie haben gerade wieder diesen bescheuerten Spot mit Harvey Norman gespielt.«
»Dann mach das Radio aus. Und die Tür auf, ja?«
Manchmal hatte sich Saffy nach vier oder fünf Gläsern Wein vorgestellt, Greg wiederzusehen. In ihrer Vorstellung hatte sie jedoch nie eine zentimeterdicke Schicht Totes-Meer-Heilerde im Gesicht gehabt und auch keine Plastiktüte auf dem Kopf. Wenn sie Gregs Gesichtsausdruck richtig deutete, hatte er es sich auch anders vorgestellt.
Er kniete im Flur auf dem Boden und sah zu ihr auf.
»Süße! Was ist denn mit deinem Gesicht passiert? Bist du krank?«
Er hatte ihr eigentlich in dem Moment, als sie die Tür öffnete, den Antrag machen wollen. Es sollte jedoch ein Moment sein, den sie für den Rest ihres Lebens in Erinnerung behalten würden, und er war ziemlich sicher, dass sie sich nicht auf ewig daran erinnern wollte, wie sie jetzt gerade aussah. Und um ehrlich zu sein, er auch nicht.
»Das ist eine Gesichtsmaske.« Saffy zog sich die Plastiktüte vom Kopf und rieb sich übers Gesicht. Trockene, grüne Schlammflocken rieselten ihr auf die Schultern, sie sah aus wie Shrek mit Schuppen. Sie versuchte, sich abzuklopfen.
»Und was machst du da auf dem Boden?« Sie hatte ihn gerade aus ihrem Leben geräumt. Was wollte er denn jetzt von ihr?
»Mir ist der Schlüssel runtergefallen.« Greg steckte den Verlobungsring wieder in die Jackentasche und stand auf.
»Ich wollte dich zum Essen einladen. Nein!« Ihr Gesichtsausdruck war wohl eindeutig gewesen. »Sag nicht gleich Nein. Ich muss mit dir reden.«
Er wirkte erschöpft, dachte Saffy. Aber selbst mit Augenringen sah er immer noch so gut aus, dass sie kurz Sehnsucht nach ihm verspürte. Er trug ein hellblaues Hemd, schwarze Jeans und eine schwarze Wildlederjacke, die sie noch nie gesehen hatte. Er versuchte, sie zu umarmen, aber sie wich zurück.
»Du kannst es dir doch gar nicht leisten, mich zum Essen einzuladen. Ich musste gerade unsere Kreditkartenrechnung bezahlen. Du schuldest mir fünfzehntausend Euro.«
Greg trat einen Schritt in die Wohnung und schloss die Tür hinter sich. Sie sah seltsam leer aus, wie eine Fernsehkulisse. Wo waren seine ganzen Sachen? Seine Schauspielbücher? Sein Jack-Nicholson-Druck von Ronnie Wood? Das gerahmte Foto von ihm, wie er von Gabriel Byrne eine Auszeichnung überreicht bekommt?
Er griff nach Saffys Händen und zog sie an sich. »Ich schulde dir noch viel mehr.« Er nahm ihr Gesicht in die Hände. »Ich schulde dir eine Erklärung.«
Er hatte sich ein paar Tage nicht rasiert, und seine Haare waren länger geworden. Er lächelte sie sanft und lieb an. Er hatte was von Jesus, einem unglaublich gut aussehenden Jesus in teuren Klamotten. Er roch so vertraut, so gut, dass Saffy fast nachgegeben hätte. Sie riss sich jedoch zusammen.
Sie trat einen Schritt zurück. »Greg, du kannst dich nicht einfach zwei Wochen lang nicht bei mir melden, und dann wieder auftauchen, als wäre nichts gewesen.«
»Aber es ist ja etwas gewesen. Ich habe dich vermisst.« Er zog sie wieder an sich und drückte sein Gesicht an ihre Schulter. »Und mir ist klar geworden, dass ich nicht leben kann ohne Scheiße !«
Er fuhr zurück und wischte sich über den Mund. »Uäh. Was hast du denn da in den Haaren?«
»Eine Protein-Haarkur«, sagte Saffy. »Pass bloß auf, dass du nichts davon in die Augen kriegst.«
Saffy duschte und föhnte sich die Haare, zog ihre ältesten Jeans und einen Pullover an und ein Paar sehr hohe schwarze Stiefel. Greg würde das nicht gefallen, aber das war ihr egal. Sie würde mit ihm essen gehen. Das war sie ihm schuldig. Sie könnten in Ruhe über den Verkauf der Wohnung reden. Aber dass sie ihm den Gefallen tun und
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