An und für dich
Du siehst aus, als hättest du einen Vibrator im Arsch. Die Besetzung für den Film steht ja noch nicht.
Vielleicht wird es doch noch was. Und wenn ja, dann sei bloß nicht gerade in Flitterwochen auf Borneo oder den scheiß Malediven. Fahrt lieber nach Mexiko oder in die Karibik, von wo aus man mit einem Direktflug nach L . A . kommt.«
»Klingt nach einer vernünftigen Idee.« Er versuchte ein Lächeln. »Aber für solche Ideen bezahle ich dich ja auch, hm?«
Lauren legte ihren Zahnstocher auf seine Untertasse. »Im Moment bezahlst du mir genau zwanzig Prozent von gar nichts.« Sie stand auf. »Das Frühstück übernimmst du also. Und jetzt muss ich noch kurz Bono Hallo sagen.«
An den Wänden hingen hellblaue Seidentapeten, und auf dem Kaminsims aus weißem Marmor stand eine Schale mit Lilien. Es gab eine Standuhr, einen Kristalllüster und ein antikes Tischchen, auf dem verschiedene Zeitschriften lagen. Es sah aus wie in der Homes & Gardens, außer dass es nach Desinfektionsmittel roch und Leute auf den antiken Stühlen saßen und warteten.
Jill zog ihre Jacke aus und betrachtete sich prüfend im Spiegel. Sie trug ein enges, pinkfarbenes Wickelkleid, das sie vor zehn Jahren gekauft hatte und das ihr immer noch perfekt passte. Die Dame am Empfang hatte ihr gerade ein Kompliment dazu gemacht. Ihre Haut strahlte. Ihre Haltung war fantastisch. Sie war kerngesund.
Sie setzte sich. Es sah aus, als wäre sie die Einzige im Wartezimmer, die nicht in Begleitung gekommen war. Sie hatte Len nichts von dem Termin gesagt. Er wäre in null Komma nichts bei ihr gewesen, mit Fahrradtaschen voller ekliger Naturheilmittel und Flyern über Reiki und ayurvedische Ernährung. Sie hatte kurz überlegt, Sadbh davon zu erzählen, aber seit dem Tag, an dem sie sie einfach auf der Straße hatte stehen lassen und zurück in ihr Büro gestürmt war, hatten sie nicht wieder miteinander geredet.
Es war schon immer schwierig gewesen, ihre Tochter zu einem gemeinsamen Essen oder so was zu überreden, aber so war sie noch nie mit ihr umgegangen. Erst war sie am Boden zerstört gewesen, dann war sie aber zu dem Schluss gekommen, dass sie es vielleicht nicht persönlich nehmen sollte.
Sadbh hatte unter Schock gestanden, das war klar. Jill konnte ihr deshalb nicht vorwerfen, dass sie so unhöflich gewesen war. Sie wusste, wie es sich anfühlte, verlassen zu werden und jegliche Zukunftspläne vernichtet zu sehen. Sie wusste selbst, wie elend man sich fühlte, jeden Morgen aufzuwachen und festzustellen, dass nichts jemals wieder so sein würde wie früher. Wie weh es tat, wenn man glückliche Pärchen auf der Straße sah. Wie sehr man sich schämte, wenn einem völlig unerwartet plötzlich alles zu viel wurde und man in Tränen ausbrach – auf dem Spielplatz, beim Zahnarzt, in der Schlange an der Kasse.
Sie hatte alles getan, was in ihrer Macht stand, um ihrer Tochter genau diese Situation zu ersparen. Sie hatte ihr wieder und wieder erklärt, dass Männer, solange sie nicht verheiratet sind, tun, was sie wollen. Aber natürlich hatte Sadbh nicht auf sie gehört.
Jill hätte Greg am liebsten dafür umgebracht, dass Sadbh sechs Jahre ihres Lebens mit ihm verschwendet hatte, aber sie konnte es ihm nicht wirklich vorwerfen. Wenn man ständig die Tür offen ließ, musste man damit rechnen, dass der andere eines Tages hinausging.
Es brach ihr das Herz, nicht helfen zu dürfen, obwohl sie genau wusste, was ihre Tochter gerade durchmachte. Aber Sadbh wollte das eben allein durchstehen. Sie hatte sehr deutlich gemacht, dass sie erst einmal in Ruhe ihre Wunden lecken wollte. Wenn sie Zeit brauchte, sollte sie die haben.
Jill blätterte durch eine Vogue. Die Models sahen alle so jung aus. Als sie damals als Model gearbeitet hatte, sollten die Frauen noch aussehen wie Frauen, nicht wie kleine Mädchen.
Sie hatte an der Haltestelle gestanden und auf den Bus nach Bristol gewartet, als sie jemand am Ellbogen berührte. »Bist du Model?« Der Mann sah ganz normal aus, ein Mittvierziger im Anzug.
»Was für ein Model?« Sie war sich so wenig ihres eigenen Aussehens bewusst, dass sie wirklich nicht wusste, was er meinte.
Alle Umstehenden lachten, der Mann auch. Auf der Visitenkarte, die er ihr in die Hand drückte, war der Umriss von etwas zu erkennen, das wohl einen Hirsch darstellen sollte, aber eher einem Labrador mit Geweih ähnelte. ›Model-Agentur Gazelle‹, stand in verspielten, rosa Buchstaben darüber.
Aber Jill erkannte, was dieses
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