An und für dich
schloss die Augen wieder, vergrub das Gesicht im Kopfkissen und versuchte, den Traum da weiterzuträumen, wo er aufgehört hatte.
Ich liege an einem puderzuckerweißen Sandstrand, sagte sie sich. Gleich stehe ich auf, schlendere durch den tropischen Garten zu unserer Flitterwochenvilla im Amerkand Hotel hinüber, springe mit Greg in unseren Privatpool und …
Es hatte keinen Zweck. Sie war nicht in Antigua. Sie lag in ihrem alten Zimmer im Haus ihrer Mutter. Blasses, irisches Sonnenlicht kämpfte sich durch die pinkfarbenen Vorhänge, die ihre Mutter für sie ausgesucht hatte, als sie elf war.
Sie drehte sich auf die Seite und starrte den Posterdruck von Monets Seerosen an, der schon so verblasst war, dass die Blau- und Lavendeltöne ganz grau geworden waren. Tränen liefen ihr übers Gesicht und auf das Spitzennachthemd ihrer Mutter, das sie trug. Unten hörte sie Geschirr klappern und die summenden Stimmen von zwei Frauen, die sich im Radio über Gebärmutterentfernung unterhielten. Es klopfte, und ihre Mutter kam herein. Sie trug einen japanischen Seidenkimono und stellte ein Tablett auf den Nachttisch. Sie zog mit einem Ruck an einer Ecke der Bettdecke, als würde sie den Gebrauch einer Schwimmweste demonstrieren.
»Aufwachen! Teil-entkoffeinierter Kaffee ist fertig!«, rief ihre Mutter schwungvoll. »Nach einer Tasse Kaffee sieht die Welt doch schon wieder anders aus.«
Seit der Hochzeit klang jeder Satz ihrer Mutter wie ein Werbeslogan. Saffy kehrte dem Teller mit schleimigem Rührei und verbranntem Toast den Rücken zu.
»Mum, bitte, kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen und die Katze gleich mitnehmen?«
»Sadbh, du bist seit zwei Tagen hier. Du kannst doch nicht die ganze Zeit nur daliegen und alles immer wieder Revue passieren lassen. Das ist doch nicht gut.«
Doch, das konnte sie. Nur dazuliegen und alles immer wieder Revue passieren zu lassen, war genau genommen das Einzige, was sie tun konnte.
Am Ende wusste sie nicht mehr, wie ihr das eigentlich gelungen war. Sie hatte es aber tatsächlich fertiggebracht, zurück in den Ballsaal zu gehen und den Hochzeitstanz mit Greg zu tanzen. Umringt von lächelnden, schunkelnden Gästen hatten sie sich langsam zu »Too Good to Be True« von Lauryn Hill im Kreis gedreht.
Das war immer »ihr« Lied gewesen. Aber jetzt hatten die Worte eine neue, schreckliche Bedeutung bekommen. Bis auf die letzte Zeile. Sie konnte die Augen durchaus von ihm abwenden. Sie waren erst seit sieben Stunden verheiratet, und sie wollte ihn nie wiedersehen.
Als der Tanz endlich zu Ende war und alle lachten und klatschten, hatte sie sich aus dem Festsaal geschlichen, war in die Honeymoon-Suite hinaufgegangen und hatte sich dort im Badezimmer eingeschlossen.
Sie rollte sich auf den Marmorfliesen zusammen und weinte. Ihr Make-up löste sich auf und rann ihr den Hals hinab auf das Seidenkleid. Einige Haarsträhnen klebten ihr an der nassen Wange.
Welche war Tanya? Die Dünne aus der Continuity, die immer mit ihren Haaren herummachte? Die Amerikanerin, die Macs Psychiaterin gespielt hatte? Die Dramaturgin mit der dreckigen Lache?
Sie hatte sie sich alle mit Greg im Bett vorgestellt, eine nach der anderen, dann alle gemeinsam, gierig auf den Schmerz, als könnte sie irgendwann an den Punkt kommen, an dem sie vor lauter Schmerz gar nichts mehr spürte.
Nach einer Weile hörte sie über ihr eigenes Weinen hinweg Greg an die Badezimmertür klopfen.
»Saffy, lass mich rein, bitte, ich kann dir das erklären.«
Sie steckte sich die Finger in die Ohren. Ab und zu drang doch ein Wort zu ihr durch. »Es tut mir leid ... bitte ... Nymphomanin ... Liebe.«
Schließlich stand sie auf, die Finger immer noch in den Ohren. Sie fühlte sich etwas wackelig auf den Beinen.
Greg redete immer noch. »Tiefstem …«, hörte sie trotz ihrer Finger. »Herzen … bitte … total leid.«
Sie stolperte zum Spiegel hinüber. Ihre Haare waren feucht und hingen ihr in Strähnen herunter. Das Kleid war zerdrückt. Ein roter Abdruck vom Fußboden zog sich wie eine Narbe quer über ihre Wange. Ihre Mascara hatte dunkle Streifen hinterlassen, die aussahen wie eine Kriegsbemalung.
Als sie die Finger aus den Ohren nahm, um den Wasserhahn aufzudrehen, war er mitten im Satz.
»... nicht, weil ich dich nicht geliebt hätte. Ich war nur so einsam ohne dich. Auch wenn es komisch klingt, Süße – aber dass ich mit ihr geschlafen habe, beweist ja eigentlich nur, wie sehr ich dich liebe.«
Sie hatte sich erst
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