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Ana Veloso

Ana Veloso

Titel: Ana Veloso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Duft der Kaffeeblüte
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Geschäftsräume lagen in der Rua do Rosário,
einer Straße, die die comissionistas fast allein für sich beanspruchten.
Das Gebäude stammte aus der Kolonialzeit und war mit blau-weißen azulejos gekachelt.
»Fernando Ferreira & Cia.« stand in schnörkeligen, schwarz umrandeten Goldlettern
auf der Glasscheibe des zur Straße hin gelegenen Ladenraums. Der Duft frisch
gerösteten Kaffees waberte das ganze Jahr hindurch über der Straße, denn die
Exporteure wünschten immer eine Proberöstung und anschließende Verkostung, um
die Güte der Ware richtig beurteilen zu können. Auch darin war Pedro ein
Meister. Für wichtige Kunden ließ er es sich nicht nehmen, ein paar Bohnen
selber zu rösten, zu mahlen und aufzubrühen – schließlich hing der Geschmack
des Kaffees von der gekonnten Ausführung jedes einzelnen Schrittes dieser
Prozedur ab. Pedro war es auch, der die angeschlagenen Tassen, in denen
Ferreira den Exporteuren den Kaffee servierte, durch feine Porzellantässchen
mit Goldrand ersetzte. Zunächst hatte ihm diese Maßnahme die Missbilligung Ferreiras
eingetragen, der sich in all seinen Vorurteilen gegenüber der ausschweifenden
Lebensart der Kaffeebarone bestätigt sah. Doch schließlich hatte der Erfolg
Pedro Recht gegeben: Aus den zarten Tassen schmeckte der Kaffee einfach besser,
und die kultiviertere Form der Darreichung trug nicht unwesentlich dazu bei,
dass ein besserer Preis erzielt wurde.
    Auch Pedros Äußeres mochte einen Anteil daran
haben. Mit seinen großen braunen Augen wirkte er viel unschuldiger, als er in
Wirklichkeit war. Die Kunden fühlten sich bei ihm nie bedrängt oder übervorteilt,
wie sie es von anderen comissionistas gewohnt waren. Im Gegenteil: Nach
einem Abschluss mit Pedro waren sie immer der Überzeugung, ein fantastisches
Geschäft gemacht zu haben. Pedros samtene Stimme, seine Freundlichkeit und
seine naiv wirkende Art täuschten fast jeden darüber hinweg, dass der junge da
Silva ein scharfer Rechner war.
    Fernando Ferreira erkannte schnell das verkäuferische
Talent seines Schützlings. Nach zehn Monaten harter Arbeit hatte Pedro seinen
Chef so von sich eingenommen, dass der ihm, ganz gegen seine Gewohnheit, einen
kurzen Urlaub genehmigte. Bei Leuten wie Pedro da Silva schadete es sicher
nicht, glaubte Ferreira, wenn man sie bei Laune hielt. Zwar ließ der Junge
durch nichts in seinem Verhalten darauf schließen, dass er sich für etwas
Besseres hielt, doch das lenkte Ferreira keinen Augenblick von der Tatsache ab,
dass er der einzige männliche Erbe von Eduardo da Silva war. Eines Tages wäre
Pedro der Herr auf Boavista.
    Pedro freute sich auf die freien Tage, die vor
ihm lagen. Er hatte ein paar Freunde nach Boavista eingeladen, im Anschluss würden
sie weiter in die Provinz São Paulo reisen und die Familie seines Freundes
Aaron Nogueira besuchen. Aaron war ein ehemaliger Kommilitone, der im Gegensatz
zu Pedro eine außerordentliche Begabung für die Jurisprudenz zeigte und soeben
seine Prüfungen mit Bravour abgelegt hatte. Als Jude entsprach Aaron
wahrscheinlich nicht gerade dem Umgang, den sich Dona Alma für ihren Sohn in
Rio erhoffte, dabei konnte sich Pedro keinen humorvolleren und klügeren Freund
als Aaron wünschen. João Henrique de Barros dagegen würde seiner Mutter
gefallen. Er hatte den Freund, ebenfalls ein ehemaliger Studienkollege, in
seinem Brief namentlich angekündigt und wusste, dass Dona Alma ihn würde
einordnen können. Das mochte sie besänftigen, denn der Dritte, den er
eingeladen hatte, war jemand, den weder sie noch sein Vater mögen würden: León
Castro war ein über die Grenzen Rios hinaus bekannter Journalist, der sich vor
allem durch seine vehemente Forderung nach Abschaffung der Sklaverei einen
Namen gemacht hatte. Pedro und Aaron hatten den Mann, der ein paar Jahre älter
war als sie, bei einer Soiree in São Cristóvão kennen gelernt und bewunderten
ihn für seine modernen Ideen, seine rhetorische Gewandtheit sowie seinen
absoluten Mangel an Respekt vor jeglicher Autorität. León war in ihren Augen
ein Held – auch wenn sie nicht alle seine Auffassungen teilten.
    Umso erstaunter war Pedro, dass León seine
Einladung, mit ihnen nach Boavista zu reisen, angenommen hatte. Dabei war sie
ihm nur beiläufig herausgerutscht, als sie sich eine hitzige Debatte über die
Lebensbedingungen der Sklaven lieferten. »Du scheinst noch nie eine Fazenda
gesehen zu haben, auf der gut genährte und zufriedene Schwarze leben. Ehrlich,
León, komm

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