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Ana Veloso

Ana Veloso

Titel: Ana Veloso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Duft der Kaffeeblüte
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und deren Familien brauchten. Meist handelte es sich
dabei um importierte Waren: Pomaden, Parfüms, Lippenrot, Porzellan, Kristall, Möbel,
Bücher und Journale, Spitzenbordüren, Hutfedern, Musikinstrumente, Wein,
Spirituosen. Aber auch große Mengen an Weizenmehl wurden verladen, denn weißes
Brot galt in Brasilien, das keinen Weizen anbaute, als besondere Delikatesse.
    »Hier steckst du also! Ich suche dich schon seit
einer halben Stunde. Aber in diesem infernalischen Durcheinander ist ja kein
Durchkommen.« Aaron Nogueira erreichte schweißgebadet seinen Freund. »Dieser
Bahnhof ist eine Zumutung. Die Lastenträger sehen weder nach rechts noch nach
links, sie sind völlig rücksichtslos! Und einen Burschen, der die Koffer trägt,
findet man weit und breit nicht!« Erschöpft stellte Aaron sein Gepäck ab. Am Ärmel
seines Rocks klaffte ein Riss, den er wütend untersuchte. Seine roten Locken
standen wirr ab.
    Pedro musste schmunzeln. »Weißt du, du siehst
aus wie ein Wahnsinniger.«
    »Ja, und glaub mir, ich bin wirklich kurz davor,
dem Irrsinn zu verfallen.«
    In diesem Moment traf auch João Henrique de
Barros ein, in tadelloser Aufmachung und mit arroganter Miene.
    Aaron staunte. »Wie gelingt es dir nur immer,
dich unbeschadet durch dieses Gesindel zu drängen?«
    João Henrique klopfte sich vielsagend mit seiner
kleinen Reitgerte auf die Innenseite der Hand. »Das richtige Auftreten, mein Freund.«
    Pedro sah auf seine Taschenuhr und mahnte zum
Aufbruch.
    Wenige Minuten, nachdem die drei Freunde ihr
Abteil gefunden und sich darin eingerichtet hatten, stieß die Dampflok ihr
schrilles Signal aus. Mit einem Ruck fuhr der Zug an. Aaron, der am Fenster
stand und nun, aus sicherer Distanz, verzückt das bunte Wirrwarr auf dem
Bahnhof betrachtete, geriet aus dem Gleichgewicht und wäre beinahe hingefallen.
João Henrique sah ihn aus den Augenwinkeln abfällig an, während Pedro lachte.
    Als der Zug die Stadtgrenzen passiert hatte, zog
João Henrique eine Flasche Cognac sowie drei Gläser aus seiner Ledertasche. »Wir
wollen uns doch die Zeit so angenehm wie möglich gestalten, nicht wahr?«
    »Also bitte, João Henrique, findest du es nicht
ein bisschen zu früh, um schon dem Alkohol zuzusprechen?«
    »Aaron, was bist du für ein garstiger
Spielverderber.« João Henrique goss zwei Gläser ein, reichte eines davon Pedro
und stieß dann mit ihm an. »Auf die Tugend unseres lieben Aaron!«
    Pedro fand insgeheim, dass Aaron Recht hatte –
es war zu früh, um zu trinken. Doch er gefiel sich in der Rolle des Lebemannes,
dem kein sinnlicher Genuss fremd war und der unbeschwert dem Müßiggang frönte.
Und überhaupt: Wozu war man jung?
    »Auf Boavista!«, erwiderte er. An João Henriques
Sticheleien würde er sich bestimmt nicht beteiligen.
    »Auf Boavista!« Aaron prostete den anderen
beiden mit einer Feldflasche zu, die er aus einer seiner schäbigen Taschen
gezogen hatte.
    João Henrique zog in gespielter Anerkennung die
Brauen hoch. »Der Rabbi deines Schtetls wäre stolz auf dich.«
    »Das wäre er. Ganz im Gegensatz zu deinem Padre,
dem sicher schon übel wird, sobald du den Beichtstuhl betrittst.«
    »Glaubst du etwa, ich würde den guten alten
Padre Matias mit einem detaillierten Bericht über all meine Ausschweifungen
beglücken? Nein, darauf wird er lange warten können ...«
    »João Henrique, Aaron, könnt ihr euch nicht ein
anderes Mal streiten? Ich habe es wirklich satt. Ich weiß gar nicht, wieso ich
euch beide zusammen mitnehme.«
    Tatsächlich versuchte Pedro in Rio, die beiden
nicht allzu oft zusammenzubringen. Sie waren wie Hund und Katze, wie Feuer und
Wasser. Ständig beharkten sie sich, und noch die geringfügigste Sache gab ihnen
Anlass zu einem giftigen Schlagabtausch. Einmal hatten die beiden so verbissen über
ein Buch debattiert, dass sie sich beinahe geprügelt hätten. Pedro hatte sie
des Hauses verwiesen. Sollten sie ihren Streit doch woanders fortsetzen. In
seinem Haus, genauer in der Stadtresidenz seines Vaters, die er während der
Dauer seiner Lehre in Rio bewohnte, sollten sie sich gefälligst benehmen.
    Dennoch ließ es sich manchmal nicht vermeiden,
dass die beiden aufeinander trafen. Sie waren nun einmal seine beiden besten
Freunde. Jeder von ihnen hatte Eigenschaften, die Pedro schätzte. Aaron war ein
brillanter Kopf. Er sprühte vor Witz, konnte aber so ernsthaft, fleißig und
diszipliniert sein, dass er bei anderen jungen Leuten als Streber verrufen war.
Seiner

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