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Ana Veloso

Ana Veloso

Titel: Ana Veloso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Duft der Kaffeeblüte
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gar nicht läuten hören.«
    »Er meldete sich am Dienstboteneingang.«
    »Aha. Und wer ist es?«
    »Ich kenne diesen, ähm, Senhor nicht. Er sieht
auch gar nicht aus wie ein Senhor. Er behauptet aber, Ihr Mann zu sein.«
    Vitória stockte der Atem. War das möglich? Nein,
León war in England, und von dort käme er so schnell nicht wieder zurück. Ein Betrüger
oder Dieb? Aber welcher Bösewicht verschafft sich mit einer so dreisten und
schnell zu entlarvenden Lüge Eintritt? Es müsste sich um einen sehr dummen
Menschen handeln – oder um einen schlechten Scherz. Vitória erhob sich
ruckartig aus ihrem Sessel und stob an dem Mädchen vorbei. »Na warte, dir werde
ich Beine machen«, murmelte sie vor sich hin, als sie durch die Halle lief.
    »Nicht nötig, Sinhazinha, ich habe bereits
welche. Und ich habe mir erlaubt, sie zu benutzen, um einzutreten – euer Mädchen
hatte nicht den Anstand, mich hereinzubitten.«
    »León!« Nur mit Mühe gelang es Vitória, den
Impuls zu unterdrücken, auf ihn zuzulaufen und ihn zu umarmen. Selten hatte sie
sich so über sein Erscheinen gefreut, dabei sah er wirklich Mitleid erregend
aus. Er war unrasiert, sein Haar hing in wirren Strähnen im Gesicht, er war
verschwitzt und seine Kleidung verschmutzt. Wenn das kein Déjàvu war! Genauso
hatte er ausgesehen, als sie ihn zum ersten Mal gesehen hatte. Himmel, das war
ja beängstigend. Vitória starrte noch immer mit offenem Mund auf die Gestalt,
die ihr wie eine Erscheinung aus einer anderen Welt, einer anderen Zeit
erscheinen wollte.
    »Vita, geliebtes Eheweib. Deine Freudenausbrüche
sind gar zu schmeichelhaft.« León setzte sein spöttisches Grinsen auf und sah
sie durchdringend an. Wie herrlich sie aussah! Vor Überraschung hatte sie die
Augen weit aufgerissen – ah, diese göttlichen, strahlenden, blauen Augen – und
ihre Wangen hatten sich gerötet. Leóns Blick wanderte an ihr herab, verweilte
kurz bei ihrem deutlich gerundeten Bauch und traf dann wieder den ihren. Sein
Herz raste. Er war so überwältigt vor Freude, vor Liebe, vor Stolz, dass ihm
keine passenden Worte einfielen. Ein paar Sekunden standen sie sich so gegenüber,
beide befangen, beide vom jähen Aufruhr ihrer Gefühle wie gelähmt, bis Vitória
endlich das Schweigen brach.
    »Ich bin nicht mehr deine Frau. Hast du das
schon vergessen?« Zum Teufel auch, hätte ihr nicht etwas weniger Sprödes
einfallen können?!
    »Zum ersten Mal in meinem Leben bin ich dankbar
dafür, dass die Mühlen der Bürokratie in Brasilien so langsam mahlen. Unsere
Scheidung war noch nicht vollzogen, und nachdem ich meine Vollmachten samt und
sonders für nichtig erklärt habe, wird es wohl auch nie dazu kommen.«
    Vitória schluckte. Nervös fuhr sie mit den
Fingern durchs Haar, das ihr in seidigen Locken über den Rücken fiel.
    »Willst du mich nicht in den Salon bitten und
mir etwas zu trinken anbieten? Ich habe eine höllische Reise hinter mir.«
    »Ja, ja, komm herein«, stammelte Vitória.
    Joana, die Leóns Stimme bereits erkannt hatte,
war aufgestanden und eilte dem Freund mit offenen Armen entgegen. »León! Wie
großartig, dass du gekommen bist! Und so schnell!«
    »Die Bestechungssumme für den Kapitän des
Transatlantikschiffes war exorbitant.«
    Joana rettete die Situation, bevor sie ins
Peinliche abzudriften drohte. Sie übernahm die Rolle der Gastgeberin mit
perfekter Nonchalance, plauderte vergnügt mit León, schilderte ihm, was sich in
den Monaten seit ihrer Ankunft auf Boavista alles zugetragen hatte. Und
dadurch, dass sie die Initiative ergriff, gab sie Vitória die Zeit, die diese
brauchte, um ihre Fassung zurückzugewinnen. Vitória war ihr unendlich dankbar
dafür. Dann, nach etwa einer halben Stunde, stand Joana auf und verabschiedete
sich. »Ich quassele hier ununterbrochen dummes Zeug, dabei habt ihr beiden euch
sicher viel Wichtigeres zu erzählen.«
    Vitória rang sich ein gequältes Lächeln ab. »Ja,
schlaf schön.« Doch kaum hatte sich die Tür hinter Joana geschlossen, als es
klopfte und Elena den Kopf durch den Türspalt schob. »Haben Sie noch einen
Wunsch, Sinhá?«
    »Nein, danke, du kannst jetzt gehen.«
    Einige Minuten später wurde das betretene
Schweigen zwischen Vitória und León durch eine neuerliche Störung unterbrochen.
Diesmal erkundigte sich Ines, ob die Herrschaften noch etwas wünschten.
    Vitória sprang aus dem Sessel hoch. »Jetzt ist
aber Schluss, ihr neugieriges Gesindel! Morgen habt ihr ausreichend
Gelegenheit, den Senhor

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