Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ana Veloso

Ana Veloso

Titel: Ana Veloso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Duft der Kaffeeblüte
Vom Netzwerk:
könne der Beginn einer echten Freundschaft sein, wenn man den
Kontakt nur sorgfältig pflegte und es langsam angehen ließ.
    Joana lernte Loretas Mann kennen, Charles
Witherford, der gerne anzügliche Anekdoten erzählte, deren Pointen aber dank
seines starken Akzents kaum irgendjemand verstand. Wahrscheinlich wunderte er
sich über dieses humorlose Volk, das nie über seine Witze lachte. Nach seinen
weichen, weißen Händen zu urteilen, mochte er etwa in Pedros Alter sein, wirkte
aber mit seinem schütteren blonden Haar und dem immerzu geröteten Gesicht viel älter.
Er war Geschäftsführer der Niederlassung der British Meat Company in Rio.
    »Dann führen Ihre Geschäfte Sie bestimmt oft in
den Süden des Landes, in die Pampas und die Grenzregionen?«, erkundigte sich
Joana in fließendem Englisch. »Die Landschaft soll zauberhaft sein.«
    »Senhora Joana, was für eine Freude! Wo haben
Sie so gut Englisch gelernt?«
    »Ich bin in der Kolonie Goa geboren, und wir
sind viel durch Indien gereist. Das geht nur mit guten Kenntnissen Ihrer
Sprache und ich hatte ein Kindermädchen aus Yorkshire.«
    »Wunderbar! Aber um auf Ihre Frage zurückzukommen:
Ja, der Süden Brasiliens ist sehr schön. Wenn es nach mir ginge, würden wir uns
dort niederlassen, meiner Frau und den beiden Kleinen bekäme das Klima bestimmt
auch besser als das Leben in diesem barbarischen Dampfkessel.«
    »Also, ich liebe diesen Dampfkessel! Es ist die
Hauptstadt, und wenn überhaupt irgendwo in Südamerika etwas Aufregendes
passiert, dann hier. Im Süden würden wir uns zu Tode langweilen außerdem ist es
nicht gerade ungefährlich dort. An den Grenzen zu Uruguay, Paraguay und
Argentinien schwelen trotz des Friedensabkommens noch immer Ressentiments, und
ich traue diesen Spaniern nicht über den Weg.« Loreta zog ein grimmiges
Gesicht.
    »Na, ihr Portugiesen seid aber auch nicht
ohne ...«, wandte Charles Witherford ein.
    Zu dritt diskutierten sie lebhaft über die Außenpolitik
Brasiliens, in einem Sprachengemisch, dem wohl keiner außer ihnen folgen
konnte. Als Charles Witherford lautstark seine Begeisterung über die
wirtschaftlichen Anreize äußerte, die sein Gastland englischen
Handelsunternehmen gewährte, und das wieder auf Englisch, das mit
portugiesischen Brocken durchsetzt war, erregten sie die Aufmerksamkeit der
umstehenden Gäste.
    Gustavo Moreira, der Herr des Hauses, trat zu
ihnen. »Ich merke, Sie unterhalten sich blendend. Dennoch muss ich Ihnen«,
dabei nickte er den Damen entschuldigend zu, »Senhor Witherford kurz entführen.«
    Joana und Loreta nahmen es ihm nicht wirklich übel.
»Es ist ja ganz nett, gelegentlich über Politik zu plaudern. Aber die Männer
ereifern sich immer so schnell dabei – und dann arten die Gespräche immer zu
Debatten aus, denen ich kaum noch folgen kann. Geht es Ihnen auch so, liebe
Joana?«
    »Manchmal. Meistens genieße ich diese Debatten,
nicht wegen ihrer Inhalte, sondern weil die Herren sich so herrlich aufregen.
Ich beobachte sie gern dabei – und lerne viel über das Wesen der Männer.«
    »Ach, ich glaube, man kann sie studieren, so
viel man will, wir werden nie dahinterkommen, wie sie denken. Oder können Sie
von sich behaupten, Ihren Mann ganz und gar zu durchschauen?« Joana lachte. »Nein.
Aber wenn er mir nichts mehr lieferte, worüber ich staunen könnte, würde ich
ihn auch nicht mehr so lieben.«
    »Ja, der Reiz an den Männern besteht genau
darin, dass man nicht immer begreift, was in ihren Köpfen vorgeht.«
    Joana konnte nicht glauben, dass sie mit einer
Frau, die sie seit gerade einer Stunde kannte, so persönliche Dinge
besprach. Sie genoss die Unterhaltung, wollte aber den Austausch weiterer
privater Angelegenheiten vermeiden. Noch. Irgendwann wären sie einander
vielleicht so vertraut, dass intime Gespräche ihnen ganz natürlich erschienen,
aber noch war es entschieden zu früh dafür.
    »So, jetzt sollte ich Ihnen vielleicht auch
meinen Mann vorstellen.« Sie gingen zu der Gruppe, in der neben Pedro auch
Aaron sowie zwei ältere Herren standen, die wie Regierungsbeamte aussahen.
Nachdem sich alle miteinander bekannt gemacht hatten, fachsimpelten Loreta und
Pedro über die Preiserhöhung der Atlantikfähren und deren Folgen für die
Kostenpolitik von Kaffee und Fleisch in Europa. Joana wandte sich Aaron zu –
die beiden Alten hatten angesichts der weiblichen Gesellschaft und der
unausweichlichen Wendung, die das Gespräch ihrer Meinung nach nehmen würde, das
Weite

Weitere Kostenlose Bücher