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Ana Veloso

Ana Veloso

Titel: Ana Veloso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Duft der Kaffeeblüte
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Pedro.
    Der Schwarze grinste ihn unverschämt an. »Ich
spucke, wann und wohin ich will. Ich bin bald genauso frei wie ihr. Hier wird
sich nämlich ganz schön viel ändern. León Castro ist demnächst wieder im Land –
und der wird euch feinen Herrschaften schon zeigen, wo es langgeht!«

XIII
    Felix stand am Pier und versuchte hüpfend, einen
Blick auf die Passagiere zu erhaschen. An ein Durchkommen war nicht zu denken,
und seine Trillerpfeife würde er nur im äußersten Notfall einsetzen. Fernanda
hatte mal wieder Recht gehabt: Es war ein blödsinniges Unterfangen, León
abholen zu wollen, ohne den genauen Ankunftstermin zu kennen. León hatte
geschrieben, er wolle spätestens im Dezember wieder daheim sein, und Félix
hatte daraus geschlossen, dass er eher früher als später eintreffen würde. Als
Alleinreisendem war es ihm fast jederzeit möglich, auch ein früheres Schiff zu
nehmen als jenes, für das er eine Passage gebucht hatte, denn Gäste, die wegen
einer Krankheit oder anderer unvorhergesehener Vorfälle die Reise nicht
antreten konnten, gab es immer.
    Und selbst wenn León auf diesem Schiff war: Er
rechnete ja nicht mit einem Abholer. Er würde es so schnell wie möglich
verlassen und eine der Droschken nehmen, die direkt am Anleger bereitstanden.
Und er, Felix, wäre völlig umsonst hergekommen und hätte überflüssigerweise
riskiert, mal wieder von Seu Nelson zusammengestaucht zu werden. Trotzdem
sprang Felix unbeirrt weiter hoch, um über die Köpfe der anderen Wartenden
hinweg etwas zu sehen. Da! War das nicht das unverkennbare glatte Haar seines
Herrn? Felix hüpfte weiter auf und ab und zog sich wüste Verwünschungen von den
Umstehenden zu. Ja, da war er! Es half alles nichts: Felix musste die Pfeife
benutzen.
    León stand inmitten einer Schar anderer
Passagiere, die sich am Ausgang drängten, als er ein schrilles Pfeifen hörte.
Er beugte sich über die Reling und hielt in der Menschenmenge, die unten die
Ankömmlinge erwartete, instinktiv Ausschau nach Felix. Er selber hatte dem
Jungen damals die Trillerpfeife geschenkt, damit er besser auf sich aufmerksam
machen konnte, und er würde das Geräusch wahrscheinlich auf immer mit Felix
assoziieren. Aber nein, niemand wusste den genauen Termin seiner Rückkehr, wie
dumm von ihm anzunehmen, Felix könne ihn abholen wollen.
    Ein schwarzer Mann, der eine blonde Perücke trug
und sich aufführte wie ein tollwütiger Hund, erregte seine Aufmerksamkeit. Er
winkte eindeutig in seine Richtung. Mein Gott, in Rio sind die Leute jetzt
schon genauso übernervös wie in Paris, dachte León. Der Verrückte, der in
seiner unmittelbaren Umgebung mittlerweile einen kleinen Tumult verursacht
hatte, fesselte seine Aufmerksamkeit. Und dann erkannte er ihn. Er winkte zurück
und war froh, dass es sicher noch eine Weile dauern würde, bis er unten
angelangt war und Felix direkt gegenüberstand. So würde der Junge ihm seine Überraschung
nicht ansehen. Aber was hieß hier »der Junge« – aus Felix war in den anderthalb
Jahren seiner Abwesenheit ein junger Mann geworden. Er war in die Höhe
geschossen und hatte den Ausdruck kindlicher Unschuld, der früher so
charakteristisch für sein Gesicht gewesen war, eingebüßt. Hätte León ihn nicht
so gut gekannt, hätte er sich vor ihm gefürchtet. Er wirkte wie einer der
vielen Raufbolde, die die Stadt unsicher machten: schwarz, groß, stark, frei –
aber meist betrunken und voller Aggressionen. Und diese alberne Perücke! León
wusste, dass das zu einer Art Mode unter den Schwarzen geworden war. Sie
empfanden helles und glattes Haar als besonders schönen Schmuck, und eine Perücke
galt als Prestigeobjekt. Aber in Wahrheit demütigten sie sich durch diesen
vergeblichen Versuch, sich weißen Schönheitsidealen zu unterwerfen, noch mehr.
León empfand Abscheu und Mitleid. Und er hatte Gewissensbisse: Er hatte seine
Leute viel zu lange allein gelassen.
    Felix strahlte übers ganze Gesicht, als er
endlich León gegenüberstand. Umarmen konnte er ihn ja schlecht, genauso wenig
konnte er ihm sagen, wie sehr er sich freute. Aber das war auch nicht nötig. León
sah es in seinen Augen.
    »Wie schön, dass du mich abholen kommst. Aber tu
mir einen Gefallen und nimm dieses grauenhafte Ding von deinem Kopf. Es steht
dir nicht halb so gut wie dein echtes Haar. Und wahrscheinlich schwitzt du so
sehr darunter, dass dein Verstand Schaden nehmen könnte.«
    Felix verstand nicht recht, was an der Perücke
falsch sein sollte. Er hatte

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