Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ana Veloso

Ana Veloso

Titel: Ana Veloso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Duft der Kaffeeblüte
Vom Netzwerk:
empfand man es offenbar als ganz
normal, über Geld zu reden. Sie selber hatte sich anfangs schwer damit getan,
in ihrem Elternhaus galt das Thema bis heute als unanständig. Hier aber erzählten
die Damen ungeniert, wie viel sie für einen Hut bezahlt hatten. Sie brüsteten
sich damit, wie weit sie den Preis des Kurzwarenhändlers heruntergedrückt
hatten und wie sie um jeden Vintém Nachlass beim Lebensmitteleinkauf
feilschten. Sie betrachteten das Ganze mehr als sportliche Herausforderung,
denn Geiz oder auch nur Sparsamkeit konnte man keiner der Frauen nachsagen.
Ihre Häuser waren aufs Opulenteste eingerichtet, ihre Garderoben von
ausgesuchter Qualität. Sie tischten ihren Gästen die teuersten Speisen auf und
leisteten sich fürstliche Kutschen. Dennoch gaben sie, wenn man ihnen Glauben
schenken durfte, kaum jemals Geld aus, weil sie natürlich viel größeres Verhandlungsgeschick
besaßen als ihre Männer.
    Joana war keine Frau, die sich leicht einschüchtern
oder beeindrucken ließ, aber ganz unberührt ließen diese Gespräche sie nicht.
    Verprasste sie selber etwa unnötig das Geld
ihres Mannes, weil sie für ihr Kleid doppelt so viel bezahlt hatte wie Dona
Rosa für ihres, das dreimal aufwändiger war? Lief sie Gefahr, die Realität –
und die realen Preise – aus den Augen zu verlieren, weil das Vermögen der da
Silvas sie leichtsinnig werden ließ? Aber nein, das konnte nicht sein, schließlich
hatte Dona Alma sie noch bei ihrem letzten Besuch beiseite genommen und ihr
gesagt, sie solle nicht gar so sparsam sein, Pedro habe das Recht auf ein
elegantes Zuhause und eine schöne Frau. Wie man es machte, machte man es
falsch!
    Sie gesellte sich zu einer Gruppe von jüngeren
Frauen, von denen sie nur eine kannte, Dona Flora, die Frau eines französischstämmigen
Hoteliers, die sie sogleich unter ihre Fittiche nahm.
    »Darf ich vorstellen, Joana da Silva – Fernanda
Campos, Eufrásia de Guimarães, Vania Jobim, Loreta Witherford.«
    Joana nickte allen Damen reihum zu und
versuchte, sich die Namen einzuprägen.
    »Senhora Loreta, sehr angenehm. Darf ich fragen,
ob Sie Engländerin sind oder Amerikanerin?«
    »Mein Mann ist Engländer, ich selber werde immer
Brasilianerin bleiben. Und sagen Sie, Senhora Joana, sind Sie vielleicht
verwandt mit dem Baron Eduardo da Silva?«
    »Er ist mein Schwiegervater.«
    »Wie aufregend«, warf eine andere Dame ein,
deren mittelbraunes Haar wie ein zerrupftes Vogelnest auf ihrem kleinen Kopf
thronte. »Stimmt es, was man sich über den sagenhaften Reichtum dieser
Kaffeebauern erzählt?«
    »Bitte, Fernanda, was stellst du nur für
indiskrete Fragen!«, sagte Loreta.
    Doch Joana hatte bereits zu einer Antwort
angesetzt. »Aber ja, alles, was man sich in Rio de Janeiro über diese Bauerntölpel
erzählt, stimmt. Sie sind laut, haben keine geschliffenen Manieren, essen aber
von goldenen Tellern und geben Unsummen für Kleidung aus, die sie nicht mit
Anstand zu tragen wissen. Sie brauchen sich nur meinen Mann anzusehen«, dabei
zeigte sie in Pedros Richtung, »er ist das beste Beispiel dafür.«
    Alle Damen sahen hinüber zu Pedro da Silva, der
in seinem maßgeschneiderten Gehrock eine tadellose Figur machte.
    Dona Fernanda errötete, die anderen beiden, die
bisher noch gar nichts gesagt hatten, blickten betreten zu Boden. Nur Loreta lächelte.
»Und wie man hört, nehmen diese schrecklichen Leute nie ein Blatt vor den Mund.«
    »Genau so ist es«, antwortete Joana, ebenfalls lächelnd.
Sie fand Loreta Witherford ausgesprochen sympathisch.
    »Kommen Sie, Senhora Joana, ich stelle Sie ein
paar anderen Personen vor, deren Bekanntschaft Sie interessieren dürfte.« Als
sie sich von ihrem Grüppchen entfernt hatten, beugte sie ihren Kopf ganz nah an
Joanas Ohr: »Bin ich froh, dass Sie mir einen Vorwand geliefert haben, mich von
diesen dummen Puten zu entfernen!«
    »Ja, und ich bin froh, dass Sie mich aus
ihrer Gesellschaft befreit haben. Ach, und bitte nennen Sie mich doch Joana.«
    »Gerne, wenn Sie mich Loreta nennen.«
    Den beiden jungen Frauen erschien es, als
kennten sie sich schon viel länger, ja, als seien sie gute, alte Freundinnen.
Sie unterhielten sich angeregt und ohne jede Verstellung über die Berufe ihrer
Männer, ihre eigenen Pflichten und Sorgen, ihre bevorzugte Freizeitgestaltung, über
moderne Kunst und über die wachsenden Gefahren auf den Straßen der Stadt. Sie
entdeckten dabei so viele Parallelen, dass sie, jede für sich, zu der Überzeugung
gelangten, dies

Weitere Kostenlose Bücher