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Analog 07

Analog 07

Titel: Analog 07 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Joachim Alpers , Hans Joachim (Hrsg.) Alpers
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sechzehnter auf der Liste für Anfängerklasse, kann aber kaum Lob dafür beanspruchen: war Daddys Verdienst. Wollte unbedingt – angesichts soziologischer Trends schien Kunst der Selbstverteidigung mehr denn je erforderliche soziale Fähigkeit für zukünftiges Überleben –, zögerte aber, das Thema anzuschneiden, da es möglicherweise Konflikte mit der Maxime der „normalen Erziehung“ beinhaltete.
    Fragte schließlich doch. Überraschung! Sagte ja – gab die Erlaubnis! War noch ganz erschüttert, als Daddy nach Zeit und Ort der Einschreibung fragte. Zeigte ihm den Zeitungsartikel. Morgen mittag. Dachte vielleicht fünf Sekunden nach, rannte dann mit mir nach draußen, die Straße hinunter zum YMCA. Vor uns waren schon fünfzehn andere da, ausgestattet für eine lange Wartezeit.
    Daddy war vertraut wie ein alter Pantoffel: warm, gemütlich, gesellig. Hatte aber auch einiges von einem Eisberg: neun Zehntel seines Verstandes im Alltagsleben nicht erkennbar. Wußte natürlich, daß er sehr klug war. Ergab sich aus seinem Job. Pathologe kennt alles, was andere Spezialisten wissen, und dazu noch seine eigene Arbeit. Sicherlich keine Laufbahn für einen Kretin – und er war ein guter Pathologe. Berühmt.
    Aber kein Angeber, konnte man also leicht vergessen. Hinweise darauf gab es nur selten, in größeren Abständen. Geistesgegenwart, Voraussicht, rasche Reaktionen, Organisationstalent wurden nur demonstriert, wenn nötig.
    So wie jetzt. Während ich staunend in der Schlange stand (und hinter mir wie Dominosteine noch weitere zwanzig Hoffnungsvolle), verständigte er Freunde, die Stühle, Luftmatratzen, Essen, Getränke, warme Kleidung, Wolldecken, Regenzeug usw. bringen sollten. Kostete ihn drei Minuten am Telefon. War beeindruckt. Dann überrascht – verbrachte die ganze Nacht mit mir auf dem Bürgersteig, teilte Wachen ein, begleitete jemanden aufs Örtchen, wenn erforderlich.
    Erstickte fast, als er mir seine Absicht erklärte. Fiel ihm atemlos um den Hals, sagte ihm, das Schicksal hätte mich mit einem besseren Vater versorgt als bei den meisten Ergebnissen genetischer Verbindungen üblich. Gab keine Antwort, umarmte mich aber ebenfalls fester als sonst, konnte in seinen Augenwinkeln ein besonderes Funkeln im Licht der Straßenlaternen erkennen. Besondere Nacht, voller Wärme und Gefühlen des Zusammengehörens und Beieinanderseins.
    Nach Daddys wundervoller Leistung, seinem Bemühen, mich in dem Kurs unterzubringen, hatte ich leichte Schuldgefühle wegen meiner anschließenden Irreführung, des Verheimlichens meiner wahren Motive. Sicher, ich besuchte den Kurs, arbeitete hart und wurde tatsächlich zum Meisterschüler. Aber das mußte sein – Meisterschüler qualifizierten sich für Privatunterricht bei – juchhe! – dem Meister zu Hause, umgeben von anscheinend fünfundneunzig Prozent aller Bücher der Welt.
    Verdiente mir meinen Weg allerdings auch. Wandte große Mühe darauf, bevorzugten Status zu bewahren, erreichte innerhalb von zehn Monaten den Schwarzen Gürtel, Landesmeisterschaft (in entsprechender Alters-/Gewichtsgruppe) sechs Monate später. Wurde für möglichen späteren Bundes-, vielleicht sogar Weltchampion gehalten. Machte mir Spaß, viel Vergnügen. Körperliches Training, offensichtlicher praktischer Wert (fragen Sie die Fiesen Vier), war gut für mein Ego wegen der Schmeicheleien über immer länger werdende Reihe von Erfolgen, Erringen des Bundes-Freundschafts-Pokals (ironisch-falsche Bezeichnung: „Tötete“ sieben Gegner, „verstümmelte“ zweiundzwanzig weitere für den Rest ihres Lebens).
    Aber rein zufällig nicht vom eigentlichen Ziel abgelenkt: Mit Hilfe des Meisters (genannt Lehrer oder dojo ) hatte ich das Äquivalent einer fortgeschrittenen Highschool-Ausbildung verschlungen, einiges an College-Wissen bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Welt unterging. Mathematik bis zur Differentialrechnung, Chemie, Grundkenntnisse in Physik, gute Grundlage in College-Biologie und Bio-Wissenschaften – und machte meine Sache gut.
    Hin und wieder stellte ich fest, daß Lehrer mich betrachtete wie eine Henne, die sich über ein Schwanenei im Nest wundert, während er Eintragungen in die „Akte Tarzan“ machte (ungelöstes Rätsel: riesige Akte, nie Erklärungen darüber, betraf mich teilweise, da Fortschritte regelmäßig Eintragungen nach sich zogen, war aber schon etwa neunzig Zentimeter dick, als ich auf der Bildfläche erschien), wurde aber bestimmt anerkannt – und seine Anerkennung

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